Startseite Archiv Tagesthema vom 04. März 2015

Lust zu Leiten

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Sechzehn Pastorinnen aus dem Sprengel Hannover haben diese Woche die Langzeitfortbildung „Kompetenzen stärken – Lust zu leiten“ erfolgreich abgeschlossen. Landessuperintendentin Dr. Ingrid Spieckermann überreichte ihnen im Rahmen der feierlichen Abschlussveranstaltung ihre Zertifikate. Zuvor hatten die Teilnehmerinnen in Kleingruppen die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentiert.

Die Fortbildung war ein Pilotprojekt, das Landessuperintendentin Dr. Ingrid Spieckermann gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten der Landeskirche Hella Mahler, Dr. Heike Köhler, Susanne Paul und den Superintendentinnen Bärbel Wallrath-Peter und Dr. Ingrid Goldhahn-Müller ins Leben gerufen hatte. Sie wollten mit der Langzeitfortbildung Frauen ermutigen, Leitungsverantwortung zu übernehmen. Denn obwohl inzwischen über die Hälfte aller Pastorinnen und Pastoren Frauen sind, sind sie in leitenden Positionen bisher deutlich unterrepräsentiert.

Die Steuerungsgruppe, zu der auch die Kursleiterin Kerstin Bothe von der Evangelischen Erwachsenenbildung Niedersachsen (eeb) gehörte, zog eine positive Bilanz des Projektes. Landessuperintendentin Dr. Spieckermann freute sich, dass von diesem Pilotprojekt ein Schneeballeffekt ausgeht.

Dies konnte Angela Biegler von der eeb, die für die erkrankte Kursleiterin eingesprungen war, bestätigen. Die eeb habe vor, die Fortbildung auch zukünftig in anderen Regionen anzubieten. Gemeinsam mit der Steuerungsgruppe und den Teilnehmerinnen des ersten Kurses soll das Modell weiterentwickelt werden.

Zum Projekt gehörte ein parallel durchgeführter Qualifizierungskurs für Frauen, die ehrenamtlich in der Kirche Leitungsfunktionen wahrnehmen. 

Auf dem Programm der einjährigen Fortbildung standen Themen wie das Leiten von Sitzungen, Präsentieren, geschlechtsspezifische Leitungsstile, geistliche Leitung und Resilienz. Die Teilnehmerinnen trainierten gemeinsam mit Coach Sigrid Lieberum ihre Fertigkeiten und brachten dabei ihre Erfahrungen aus ganz unterschiedlichen Arbeits- und Lebenssituationen ein. Allen gemeinsam war die Lust, mitzugestalten und Verantwortung zu tragen. In ihrer Abschlussrede würdigte Sabine Preuschoff-Kleinschmidt für die Gruppe der Teilnehmerinnen für die vielfältige Ausbildung.

Die Gleichstellungsbeauftragte der Landeskirche Hella Mahler Sie betonte in ihrem Grußwort die kirchenpolitische Bedeutung des Themas. „Es reicht nicht, die Kompetenzen der einzelnen Frauen zu stärken. Damit Frauen gerne in unserer Kirche Leitungsverantwortung übernehmen sind strukturelle Veränderungen nötig.“

Der „gefühlte Eindruck“

Bei der Gleichstellung von Frauen und Männern hat die evangelischen Kirche noch Nachholbedarf. Dies ergibt sich aus dem Gleichstellungsatlas, der zum internationalen Frauentag (8. März) erscheint. Danach sind Frauen in den Ehrenämtern von Kirche und Diakonie überrepräsentiert, hingegen in der mittleren Leitungsebene kaum vertreten. Bei Dekanen und Superintendenten beträgt der Frauenanteil 21 Prozent, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag in Hannover mitteilte.

Der Gleichstellungsatlas wurde vom EKD-Studienzentrum für Genderfragen in Kirche und Theologie in Hannover erarbeitet. Für 2016 kündigte die EKD eine Studie an, die Ursachen für die geringe Repräsentanz von Frauen in kirchlichen Leitungspositionen auf der Ebene von Kirchenkreisen und -bezirken nachgeht.

Korrigiert werde in dem Atlas der „gefühlte Eindruck“, dass es in der evangelischen Kirche mittlerweile mehr Pfarrerinnen als Pfarrer gebe, sagte Synodenpräses Irmgard Schwaetzer. Realität sei hingegen, dass von den aktiven Pfarrern 33 Prozent Frauen sind. Dass zunehmend Frauen ins Pfarramt streben, war etwa von dem evangelischen Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf als „Feminisierung“ des Pfarrberufs charakterisiert worden. Von den Pfarrerinnen waren rund 43 Prozent in Teilzeit beschäftigt.

Die aktuelle Übersicht, die sich am Gleichstellungsatlas des Bundes orientiert, versteht sich als Bestandsaufnahme 25 Jahre nach der EKD-Synode in Bad Krozingen. Mit dem Krozinger Synodenbeschluss „Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche“ von 1989 sollte der Abschied von der „Männerkirche“ eingeleitet werden. Damals wurde als Ziel formuliert, dass innerhalb von zehn Jahren ein Frauenanteil in kirchlichen Gremien von mindestens 40 Prozent erreicht werden soll. Weitere Beschlüsse betrafen die Frauenförderung.

Die Vorgaben von 1989 werden der Übersicht zufolge in den Leitungsgremien der EKD erfüllt. Im Kirchenparlament beträgt der Frauenanteil 46 Prozent, von den 15 Ratsmitgliedern der EKD sind sieben Frauen. Im Bundestag betrug der Frauenanteil im vergangenen Jahr 36,5 Prozent, bei den Mitgliedern der Bundesregierung waren es 40 Prozent.

Eine paritätische Beteiligung von Frauen und Männern wird den Angaben zufolge zumeist in den Kirchenvorständen auf Gemeindebene erreicht. In den Kreissynoden liegt der Frauenanteil bei durchschnittlich 42 Prozent. In den Leitungen der 20 Landeskirchen beträgt der Frauenanteil 32 Prozent, vor drei Jahrzehnten waren es erst 20 Prozent.

Als Folge der Krozinger Frauen-Synode war 1994 das Frauenstudien- und Bildungszentrum der EKD im hessischen Gelnhausen errichtet worden. Der Aufbau des Zentrums für theologische und feministische Studien- und Bildungsarbeit wurde schon damals von massiver Kritik evangelikaler Organisationen begleitet. Später wurde der Arbeitsbereich Frauenstudien und Frauenbildung in das Comenius-Institut integriert, 2008 bezog das Zentrum neue Räume im nordhessischen Hofgeismar. Das neue Studienzentrum Genderfragen nahm im vergangenen Jahr mit zwei Studienleiterinnen seine Arbeit in Hannover auf.

epd