Herr Siegmann, neben dem Betrieb von Kitas mit allem Personal stellen Kirchengemeinden und -kreise auch eine Reihe von Gebäuden. Welche finanziellen Auswirkungen hat dies?
Rund 300 Kindertagesstättengebäude befinden sich im Eigentum kirchlicher Körperschaften. Hierdurch werden die Kommunen, die die Rechtsansprüche auf Betreuungsplätze sicherstellen müssen, enorm entlastet. Leider beteiligen sich einzelne Kommunen nicht angemessen an der Bauunterhaltung dieser Gebäude, obwohl sie der Umsetzung der Rechtsansprüche dienen.
Welche Folgen hätte ein Ende kirchlichen Engagements bei der außerschulischen Kinderbetreuung für die Kommunen?
Durch die geplante Einführung eines Ganztagsangebotes an Grundschulen werden zusätzliche Lehr- und Betreuungskräfte benötigt. Dieses wird aufgrund des Fachkräftemangels in den nächsten Jahren kaum flächig realisiert werden können. Zudem stellt sich die Frage, ob und wie die kirchlichen Hortgruppen weitergeführt werden können.
Neben den Kirchen gibt es eine Reihe anderer freier Träger für die Kinderbetreuung. Welche Bedeutung innerhalb dieser Träger hat das kirchliche Engagement?
Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen sind die größte freie Trägergruppe mit rund 1.100 Kindertageseinrichtungen. Es sind also ungefähr 20% der Betreuungsplätze, die evangelisch ausgerichtet sind. Für jede Kirchengemeinde, die in ihrem Bereich mit einer evangelische Kindertagesstätte zusammenarbeitet, entstehen viele Kontakte zu Familien in der Gemeinde. Für beide Seite ist das eine große Chance.
Kirchliche Kindertagesstätten verknüpfen ihre Arbeit in der Regel mit dem Leben innerhalb der Gemeinde, innerhalb des sozialen Umfelds. Nicht selten entstehen regelrechte Familienzentren. Wer profitiert von diesem Netzwerk?
Durch solche Verknüpfungen konnte in der Landeskirche in den letzten Jahren über 40 Familienzentren aufgebaut werden. Letztlich profitieren alle im Stadtteil von solchen Möglichkeiten. In den letzten Monaten konnten z.B. viele Kirchengemeinden und diakonische Träger in Familienzentren Angebote (Kinderbetreuung und Sprachkurse) für geflüchtete Kinder und Mütter aus der Ukraine aufbauen. Das Vorhandensein solcher Strukturen ist ein wichtiger Beitrag zur Integration und zur Stabilisierung des Gemeinwesens.
Rebekka Neander/EMA