Startseite Archiv Tagesthema vom 21. Mai 2022

„Miteinander der Generationen“

Hugo Rausch (86) erlebte den ersten Kirchentag 1949 in Hannover mit – und viele weitere

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Als Hugo Rausch die erste große Veranstaltung seines Lebens besuchte, war er beeindruckt: So viele Menschen auf einmal hatte der damals 14-Jährige noch nie gesehen. Der Junge war gerade konfirmiert und lebte auf dem Land bei Osnabrück, als er eines Sonntags im Sommer früh morgens mit einem Bus des dortigen Kirchenkreises in die Großstadt Hannover fuhr. An die Menschenmenge bei der Abschlussveranstaltung erinnert sich der Senior noch heute. Dabei ist der Ausflug schon mehr als 70 Jahre her: Denn in die Geschichte eingegangen sind die Tage zwischen dem 28. Juli und 1. August 1949 in Hannover als erster Deutscher Evangelischer Kirchentag überhaupt.

Ganz sicher ist sich der heute fast 87-Jährige nicht mehr, aber vermutlich durch die Jugendgruppe seiner Gemeinde in Bohmte bei Osnabrück hatte er die Möglichkeit bekommen, für den letzten Sonntag der Deutschen Evangelischen Woche mit in die Landeshauptstadt zu fahren. „Ich meine mich zu erinnern, dass die Schlussversammlung im Eilenriede-Stadion stattfand“, erzählt Hugo Rausch, der heute in Lüneburg lebt. Das Stadion sei voll gewesen, erinnert er sich. „Das hat uns junge Leute sehr begeistert. Wir haben noch lange davon gesprochen.“

Für den jungen Konfirmanden war dieser Ausflug auch deshalb so prägend, weil es die erste positive Erfahrung eines großen Erlebnisses für ihn im Leben gewesen ist. 1945 war er mit seiner Mutter und vier Geschwistern aus Hinterpommern geflüchtet. Die sowjetische Armee holte den Treck ein. Sie mussten zurück in ihr Dorf auf den Bauernhof. Von Juni an lebten sie auf dem Hof mit einer polnischen Familie, die den Hof übernommen hatte. Mitte Dezember 1945 wurden sie ausgewiesen und kamen in die sowjetische Besatzungszone. „Alle großen Erlebnisse vorher waren mit Angst verbunden, zum Beispiel die Flucht und Vertreibung“, erklärt Hugo Rausch.

Sein erster Kirchentag sollte bei weitem nicht sein letzter bleiben: Mindestens 25-mal hat sich Hugo Rausch seither in Städte nah und fern aufgemacht, um die Veranstaltungen mitzuerleben. Zwar konzentrierte sich der junge Mann nach seinem ersten Kirchentag 1949 in den Jahren danach zunächst stark auf seine Lehre zum Tischler, da ihm durch Krieg und Flucht zwei Schuljahre fehlten. Doch nach Beendigung der Lehre ging es für ihn 1953 zum zweiten Mal zu einem Kirchentag, und zwar nach Hamburg. Davon besitzt er sogar noch Fotos in einem kleinen Album. Und klare Erinnerungen: „Wir haben in 100-Mann-Zelten übernachtet. Da hörte der Letzte um 3 Uhr nachts mit dem Lärm auf, und der Erste fing um 3.05 Uhr an“, erzählt er und lacht.

Der nächste Kirchentag folgte ein Jahr später, und das ist bis heute der, der Hugo Rausch am stärksten beeindruckt hat: 1954 in Leipzig. „In den Straßenbahnen wurde gesungen, die ganze weite Fahrt lang“, erinnert er sich. „Es hat die ganze Zeit geregnet, aber die Stimmung war eine ganz besondere. 500.000 Menschen bei der Schlussveranstaltung, das war unglaublich eindrucksvoll. In der damaligen DDR kannte man so etwas ja ansonsten gar nicht.“

Später ging Hugo Rausch in die Diakonenausbildung ins Stephansstift nach Hannover. Nach seinem Examen arbeitete er in unterschiedlichen Bereichen der Hannoverschen Landeskirche und hat besonders während seiner Zeit als Gemeindediakon häufig Kirchentage mit Jugendlichen besucht. Seit seinem Ruhestand fährt er mit seiner Familie, auch 2019 in Dortmund war er dabei. „Mir gefällt an Kirchentagen das Miteinander der Generationen“, sagt der vierfache Großvater. „Solche Möglichkeiten habe ich in der Kirchengemeinde kaum. Unterschiedliche Gedanken werden geäußert, und man spricht darüber.“ Dabei gehe es auch um soziale und gesellschaftspolitische Fragen. „Wenn ich auf meinen Lebensweg seit meiner Jugend schaue, so denke ich, haben die Kirchentage ihn mit geprägt.“ Und wenn Hugo Rausch 2025 noch fit genug ist, wird er in Hannover wieder dabei sein.

Carolin George/EMA

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