Einmal alle Register ziehen – das war am Sonntag das Motto beim 1. Tag der offenen Orgelbank, die die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover landesweit veranstaltete. „Orgelführungen gibt es hier häufiger, aber das ist das erste Mal, dass wir zum selber Spielen an der Orgel einladen“, sagt Stefan Kordes, Kreiskantor in Göttingen. Heute dürfen alle Interessierten einen Blick in das Cockpit der Orgel der St. Jacobi-Kirche werfen, die 1966 von Paul und Dieter Ott errichtet und 2006 bis 2007 von Siegfried Schmid restauriert wurde.
Die Aktion sollte sich an diejenigen richten, die Klavierunterricht hatten und schon immer mal die Orgel in der Kirche ausprobieren wollten. Oder auch jene, die früher Orgel gespielt und Lust auf ein Revival haben. Doch als Stefan Kordes in die Runde fragt, sind die Reaktionen doch eher verhalten. Vielleicht traut sich niemand, vor Publikum zu spielen? Doch so ein Kreiskantor lässt sich nicht aus der Ruhe bringen – also lädt er das Dutzend Gäste zu einer Orgelführung als Alternative ein.
„Sie sitzen auf der Orgel, sie ist hinter Ihnen, vor Ihnen – und Sie mittendrin. Um sie herum befinden sich 4806 Orgelpfeifen – was Sie davon sehen ist nur die Spitze des Eisbergs“, so der Göttinger Kreiskantor, bevor er eine ausgiebige Kostprobe davon gibt, was dieses große Instrument an Klangfarben hervorzaubert. „Und das sind 68 verschiedene an der Zahl.“ Genau deshalb dürfen die Besucher gleich mal auf Klangsuche gehen. „Woher kommt dieser Ton?“, fragt Stefan Kordes den kleinen Florian. Der zeigt auf den großen Kasten hinter sich, das sogenannte Rückpositiv.
Die nächsten Töne erstrahlten vom Hauptwerk und dem „Kronwerk“ von ganz oben. „Ein himmlischer Klang, der besonders ästhetisch daherkommt“, verdeutlicht Kordes. Immer, wenn er die nächsten Töne an der Orgel erklingen lässt, dreht sich Florians kleiner Bruder Konrad im Kreis. Er tanzt und freut sich, zeigt immer wieder mit der Hand zur Orgel hinauf und unterhält die kleine Gruppe. „Wir finden hier Instrumente, wie sie im Orchester vorkommen – aber auch viele andere Facetten. Vom ganz tiefen Bass bis hin zu den hohen Piccoloflöten.“
Und als Höhepunkt an Weihnachten im Lied „Oh du fröhliche“ zum Beispiel erklingt dann der Zimbelstern hoch oben, bei dem kleine Glöckchen immer wieder angepustet werden. „Und dann wackeln die und es kommt das schöne Klingen“, ergänzt Florian fachmännisch. Zum Abschluss zeigt der Organist noch die unterschiedlichsten Pfeifenarten, die von den Teilnehmern interessiert bestaunt werden. Auch wenn es kein „Tag der offenen Orgelbank“ im geplanten Sinne wurde, so hatte sich diese VIP-Orgelführung doch für alle Beteiligten gelohnt.
Mareike Spillner