Dr. Kerstin Gäfgen-Track leitet die Abteilung Bildung und Schulen im Landeskirchenamt der Hannoverschen Landeskirche. Als Pastorin hat sie auch an Grundschulen unterrichtet.
Frau Gäfgen-Track, was halten Sie von dem Satz: „Für die Erstklässler beginnt jetzt der Ernst des Lebens“?
Wenig. Damit geben Erwachsene oft an Kinder weiter, dass sie selbst nicht so gute Erfahrungen in der Schule gemacht haben. Dabei bereitet Lernen Kindern Spaß und je jünger sie sind, desto leichter lernen sie. Wenn Kinder in der Schule unglücklich sind, machen Erwachsene etwas falsch.
Wie finden Eltern eine Balance zwischen Helfen und Druck auf die Kinder machen?
Natürlich, Lernen braucht Disziplin und Kontinuität, das stimmt. Leistung ist auch nichts Schlechtes, im Gegenteil. Eltern sollten nachfragen, was in der Schule passiert, Interesse zeigen. Ganz wichtig ist positiv zu bleiben, auch wenn mal was nicht klappt. Eltern sollten sich vor Augen halten, was das eigene Kind dazu gelernt hat, sich darüber freuen und das loben. Vergleiche mit anderen Kindern helfen da wenig. Und wer schon am Anfang sagt: „Mein Kind macht Abi mit 1,0!“, der tut dem Kind keinen Gefallen. Ich merke bei meinem Neffen, dass es hilft, Brücken von der Schule in den Alltag zu bauen. Wir rechnen mit Gummibärchen. Er lernt höhere Zahlen und bekommt so mehr Bärchen ...
Wenn Eltern Fragen haben, wo finden sie Hilfe?
Zum Beispiel bei den evangelischen Familienbildungsstätten oder Beratungseinrichtungen – erster Ansprechpartner sind aber die Lehrkräfte.
Einschulungsgottesdienste gehören inzwischen den am meisten besuchten Gottesdiensten im Jahr. Wie kommt das?
Die Einschulung hat inzwischen bei vielen Familien einen hohen Stellenwert und ich freue mich sehr, dass der Einschulungsgottesdienst für die meisten, auch nicht christlichen Familien fest dazu gehört. Im Mittelpunkt steht für Kinder und Eltern der Segen Gottes, den jedes Kind ganz individuell als Stärkung für den neuen Lebensabschnitt zugesprochen bekommt. Und genau das ist wichtig: Dass das Kind einen Start in die Schulzeit erlebt, bei dem es sich wohlfühlt, der es bestärkt und den es gemeinsam mit Familie und Freunden erlebt.
Vielen Familien feiern mittlerweile aus Anlass der Einschulung ein mehr oder weniger großes Fest, auch mit vielen Geschenken. Was halten Sie davon?
Einerseits freut es Kinder, wenn sie im Mittelpunkt stehen und Geschenke bekommen. Andererseits baut sich damit auch leicht Druck auf, weil die Bedeutung der Schule damit sehr unterstrichen wird und die Erwartung im Raum steht, dass das Kind in der Schule erfolgreich ist. Außerdem können es sich viele Eltern oder gerade auch Alleinerziehende ein solches Fest gar nicht leisten. Feiern ja, aber in einem Rahmen, der dem Kind gut tut.“
Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihre Einschulung denken?
An den Zeigestock. Ich bin Linkshänderin. Damals, 1966, hat die Lehrerin mir auf die linke Hand geschlagen, bis ich mit rechts geschrieben habe. Jetzt habe ich eine schlechte Handschrift und ich bin nicht gerne zur Schule gegangen. Deswegen finde ich es wichtig, dass man schaut, was das einzelne Kind gut kann. Es muss nicht alles perfekt sein.
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