Altenpflegeeinrichtungen müssen mit dem Trauma einstiger Kriegskinder umgehen
Der Wind lässt die Eingangstür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. Zitternd vor Angst verkriecht sich ein alter Mann in seinem Zimmer im Pflegeheim hinter dem Sofa, weil ihn das Geräusch an einen Schuss erinnert. Eine Bewohnerin, die während des Krieges oft nicht wusste, wie sie ihre Kinder ernähren sollte, hortet im Schrank neben ihrem Bett Obst und Brot: Auch 70 Jahre nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht tobt in den Köpfen vieler Kriegskinder noch immer der Zweite Weltkrieg. In Pflegeeinrichtungen werden sie oft von den Schatten der Vergangenheit eingeholt.
Experten zählen die Jahrgänge 1929 bis 1947 zu den Kriegskindern, die traumatisierende Erlebnisse hinter sich haben. „Die meisten haben sie in den zurückliegenden Jahrzehnten tief vergraben - jetzt steigen sie auf wie Blasen vom Grund eines Sees“, sagt Petra Scholz von der Bremer Heimstiftung. In der Stiftung, die zu den größeren Altenhilfe-Trägern in Deutschland zählt, kümmert sie sich um die Frage, wie Pflegende einstige Kriegskinder begleiten und ihnen nach belastenden Erlebnissen eine Hilfe sein können.
Bestimmte Reaktionen, Verhaltensweisen, Ängste und depressive Verstimmungen bleiben ihrer Familie und auch professionell Pflegenden oft unverständlich. „Wir stehen da noch ganz am Anfang, viele Kolleginnen sind überrascht davon, was da plötzlich passiert“, sagt Scholz. Allerdings sind längst nicht alle Kriegskinder betroffen. Etwa 40 Prozent hätten keine Probleme, sagt der Kasseler Altersforscher Hartmut Radebold, der mit 79 Jahren selbst ein Kriegskind ist. „30 Prozent konnten ihre belastenden Erlebnisse verarbeiten, weitere 30 Prozent sind schwer traumatisiert.“