Startseite Archiv Tagesthema vom 31. Dezember 2014

Nehmt einander an

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Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. (Röm. 15,7)

Manche Sätze aus der Bibel werden es vermutlich nie schaffen, in die engere Auswahl der Jahreslosungen zu kommen. Denn eigentlich haben wir es gerne ermutigend.
Ich ertappe mich selbst immer wieder bei diesem Wunsch, wenn die neue Jahreslosung veröffentlicht wird. Lass es ein gutes Wort sein, das durch das neue Jahr begleiten wird. Ein Wort, das trägt, das ermutigt, das hält. Ein Wort, das nicht zu viel voraussetzt und nicht zu viel fordert, denn das neue Jahr wird fordernd genug werden.

Die Jahreslosung für 2015 bewegt sich auf der Grenze und macht es uns nicht ganz leicht. „Nehmt einander an...“ Paulus richtet sich mit dieser Aufforderung an die Römer an eine bunte Mischung von Christinnen und Christen, an solche mit heidnischen und jüdischen Wurzeln. Letztere sind wohl in der Minderheit. Unterschiedliche Meinungen über „den christlichen Lebensstil“ führen dazu, dass sie sich gegenseitig verachten und verurteilen, sich verunsichern und sich ein schlechtes Gewissen machen. In den Köpfen und Herzen entsteht eine Aufteilung in Starke und Schwache, in Bessere und Schlechte im Glauben.
Kennen wir.
„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“. So versucht Paulus, die zerstrittenen Gemeindegruppen in eine neue Haltung zu bringen. Allem voraus geht eine Annahme, die jeder von uns zunächst erst einmal selbst erfährt. Und dann: Nicht das Pochen auf Prinzipien und Überheblichkeit fördert das Wohl und den Zusammenhalt, sondern Unvoreingenommenheit und Geduld im Sinne Christi. Und das zur Ehre Gottes.

Die reformierte feministische Theologin Letty Russell entwickelte ausgehend von Römer 15,7 ihre Theologie der Gastfreundschaft, die aktueller kaum sein kann. Christus als Gottes Willkommen gründet mit der christlichen Gemeinschaft eine Einheit, die "keine Einheit der Uniformität, sondern eine Einheit in Diversität ist". Gastfreundschaft wird zur Partnerschaft in Solidarität mit den anderen.
"Unterschied und Gastfreundschaft sind miteinander verwoben, weil gerade die Herausforderung durch Unterschiede, Fremdheiten und 'Anders-Sein' uns dazu aufruft, Gastfreundschaft zu praktizieren", so Russell 2006.
"Welcome one another, therefore, just as Christ has welcomed you, for the Glory of God."
Eine tolle Übersetzung: Den anderen in seiner Andersartigkeit begrüßen, wie Christus uns begrüßt hat.
Ein Gotteslob, das unser 2015 zu einem besonderen Jahr machen kann.

Silvia Mustert, Pastorin

Die Autorin

Pastorin Silvia Mustert ist persönliche Referentin des Landesbischofs.