Startseite Archiv Tagesthema vom 17. Dezember 2018

Wurzeln in Korea - Wurzelbehandlungen in Ostfriesland

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"Wir sagen hier Moin!" Kirchenvorsteher Tai-Lee Park aus Norden zum "Tag der Migranten"

Wurzeln in Korea, Wurzelbehandlungen in Ostfriesland: Tai-Lee Park (64) lebt seit 1981 in Deutschland. Der Zahnarzt ist Kirchenvorsteher in der Ludgeri-Gemeinde in Norden. Wir haben mit ihm über seinen Weg nach Deutschland – und den Internationalen Tag der Migranten am 18. Dezember gesprochen.     

Guten Tag, Herr Park ...

Moin, wir sagen Moin in Ostfriesland!

Also, Moin! Herr Park, Sie sind in Süd-Korea geboren, haben ein Militärorchester geleitet, in Berlin Zahnmedizin studiert und seit 22 Jahren haben Sie eine Praxis in Norden. Das klingt nach einem langen Weg. Wie kam es dazu?

In Korea studierte ich Musik, war dann wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität. Beim Wehrdienst in Seoul habe ich die Militärband dirigiert. Nach dem Militärdienst habe ich tagsüber als Gymnasialmusiklehrerund abends als Musikvikar in einer presbyterianischen Gemeinde gearbeitet. Ich wollte eigentlich Musikwissenschaft weiter studieren, um dieses Fach in Korea einzurichten. Daher bin ich 1981 nach Deutschland gekommen.

Und Sie wurden dann aber Zahnarzt? 

In dieser Zeit habe ich meine liebe Frau kennengelernt. Nachdem wir geheiratet haben, musste ich eine große Entscheidung treffen: Wieder nach Hause zurückkehren oder hierbleiben? Wir sind geblieben. Wenn wir damals nach Korea zurückgegangen wären, hätte meine Frau Probleme in der Gesellschaft bekommen, weil dort in dieser Zeit eine Männerdomäne herrschte. Als wir heiraten wollten, war sie schon eine approbierte Ärztin. Es wäre eine Zumutung gewesen, dass meine Frau als Ärztin in Korea brav zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern würde.

Deshalb haben Sie das Studienfach gewechselt?

Als Musiker könnte ich nicht einmal meine Familie ernähren. Meiner Frau ist meine gute Handfertigkeit aufgefallen. Daher hat sie mir vorgeschlagen, dass ich Zahnmedizin studiere. Ein Semester lang habe ich versucht, ob das überhaupt zu mir passen würde. Die erste Anatomie-Vorlesung war ausgerechnet über das Thema des Zellaufbaus. Was alles da drin ist, kann nur unser Gott allein erschaffen. Da habe ich gemerkt, wir Menschen sind ein wunderbares Geschöpf Gottes. Meine Schlussfolgerung war, dass ich diese Aufgabe annehme.

Sie stammen aus der Provinz Ul-Jin, die liegt am Meer. Sind Sie deshalb nach Norden gegangen? 

Oh, das Meer in Ul-Jin ist einfach herrlich blau. Es gibt unendlichen goldenen Sandstrand. Zur Grundschule gingen wir schon mit Badesachen. In den Schulpausen liefen wir einfach ins Meer. Und das Meer ernährte uns mit seinen Früchten wie Seetang, Algen, Muscheln oder Fischen. Daher gibt es ein Sprichwort in Korea. „Kein Mensch hungert, wenn man am Meer wohnt, im Gegensatz zum Leben in den Bergen.“ Die Nordsee ist eher grau, aber die salzige Luft wunderbar. Sie tut mir gut! Nach Norden sind wir allerdings durch Gottes Fügung gekommen. Meine Frau hat eine Stelle am Krankenhaus bekommen. An unserem ersten Hochzeitstag. 

Sie sind bereits seit 2006 Kirchenvorsteher in der Ludgeri-Gemeinde. Verzeihen Sie die plumpe Frage, aber ein evangelischer Christ aus Korea, das überrascht. Wurden Sie schon als Lutheraner geboren?

In Korea gibt es keine Kindertaufe. Jeder muss sich selbst für den Glauben entscheiden, ich finde das den besseren Weg. Ich bin zum Glauben gekommen, weil meine Mutter sehr gläubig war. Sie ging jeden Tag früh morgens um 6 Uhr drei Kilometer zu Fuß in die Kirche, auch bei Regen oder Schnee. In Korea sind fast 1/3 der Bevölkerung Christen, die Lutheraner aber sehr gering vertreten. Ich komme dort aus einer freien Gemeinde. In jedem Gottesdienst ist die Kirche überfüllt.

Am 18. Dezember ist der „Internationale Tag der Migranten“. Verbinden Sie etwas mit diesem Tag?

Ja, ich war ja selbst ein Migrant. Deutschland ist meine Heimat geworden. Wir sind wir vor Gott alle gleich. Unser Herr sieht nicht unser Äußeres, sondern er sieht unser Inneres. In diesem Sinne bin ich ein Deutscher, der eine gelbe Haut hat und einen koreanischen Namen trägt. Da unsere Tochter ebenfalls in Deutschland lebt, wählten wir zu ihrem koreanischen Namen einen deutschen Vornamen. „Maria“. So kann jeder zumindest ihren Namen aussprechen.

Sie sagten, Gott sieht nicht auf das Äußere. Andere Menschen vielleicht schon?

Doch, viele andere sehen uns als Ausländer. Der Name, die Hautfarbe... Deshalb musst Du als Migrant in der Schule und bei der Arbeit immer besser sein als andere, dann wirst Du akzeptiert.

„Migration“ ist ja ein großes Thema in Deutschland. Denken Sie, dass das Land den richtigen Weg beim Thema Migration schon gefunden hat? 

Ich glaube, dass es schwer ist, den richtigen Weg dabei zu finden. Die Gesellschaft muss bereit sein, die Migranten anzunehmen. Und die Migranten müssen ihren entschiedenen Willen haben, von sich selbst aus aktiv zu werden. Besonders Deutschkenntnisse sind wichtig.

Können Kirchengemeinden bei der Integration helfen?

Ich denke, dass die Gemeinde ein idealer Begegnungsplatz für die Migranten ist. Nicht nur die Lehre von der Nächstenliebe, sondern auch Gottes Gnade für alle Menschen, sollte eine christliche Gemeinde praktizieren. Unser Herr wurde auch arm in diese Welt geboren. Wir sollten den Migranten aktiv helfen, um sie in unsere Gesellschaft reibungslos hineinzuführen. Ich sehe die Kirche in Deutschland aber auch kritisch.

Wie meinen Sie das?

Ich denke, die Gemeinden, auch die Pastoren, sollten den Schwerpunkt auf die Seelsorge und die Gottesdienste legen. Ich halte den hohen Einsatz, den wir in den Konfirmanden-Unterricht stecken leider oft für vergeudet. Wer von den Jugendlichen bleibt denn tatsächlich dabei? Ich fände es sinnvoller, wenn die Pastoren zusätzliche Zeit hätten, sich um die Seelen der Mitglieder zu kümmern. Welche Station an unserem Krankenhaus hat denn immer mehr Patienten? Die Psychiatrie. In Korea sind die Kirchen überfüllt. Jedes Mal bin ich tief resigniert, wenn ich nach dem Koreabesuch wieder in Deutschland bin. In dieser Hinsicht ist Deutschland ein Entwicklungsland. Wir brauchen eine Erweckung!

Wer Ihren Namen googelt, findet zahlreiche Artikel über Ihr musikalisches Wirken. Sie haben in Ostfriesland zahlreiche Konzerte dirigiert. Welche Bedeutung hat die Musik für Sie? 

Musik ist für mich eine Oase in meiner Seele, wo man Durst stillen und wieder Energie tanken kann.  Musik öffnet unsere Herzen, um Gottes Wort zu hören. Musik gibt uns neue Kraft. Ich kann einfach ohne Musik nicht leben. Und ich möchte so auch etwas zurückgeben. Als ich herkam, hat die deutsche Gesellschaft mich finanziert. Deshalb engagiere ich mich im Kirchenvorstand, deshalb habe ich 1994, als ich gerade mein Studium abgeschlossen hatte, den überkonfessionellen Chor „Soli Deo Gloria“ gegründet. Inzwischen hat der Chor rund 200 große Konzerte und überwiegend Gottesdienste gestaltet. Etwa 80.000 Menschen haben unsere Konzerte besucht. Halleluja! 

Und seit genau 20 Jahren komponieren Sie jedes Jahr eine Vertonung der Jahreslosung. Haben Sie die Melodie für „Suche Frieden und jage ihm nach!“ schon fertig? Können wir Ihr Werk bereits im Netz finden? 

Natürlich! Meine Jahreslosungen sind auf der Homepage meines Chors zu sehen. Ich habe auch schon die Jahreslosung 2020 geschrieben.

Dirk Altwig

Migration und Flucht

Einwanderung und Flucht – auch für die Landeskirche Hannovers ist das schon lange Thema sagt Lars-Torsten Nolte, Referent für „Migration und Integration“ im Haus kirchlicher Dienste. „Nach 1945 kamen zunächst die Flüchtlinge und Vertriebene  aus den deutschen Ostgebieten, viele von ihnen evangelisch, dann in den 80er und 90-er Jahren zahlreiche russlanddeutsche Aussiedler, die der lutherischen Tradition verbunden waren. Beide Gruppen fanden geistliche Heimat in unserer Landeskirche, veränderten sie auch.

Außerdem finden sich in unseren Gemeinden auch Menschen mit einer ganz anderen Einwanderungsgeschichte, wie z. B. Iraner, die zum Christentum konvertierten “, nennt Nolte nur einige Beispiele.

Darüber hinaus gebe es im Gebiet der Landeskirche zahlreiche christliche „Gemeinden anderer Sprache und Herkunft“ (GaSH). Evangelische Gemeinden gebe es etwa afrikanischer, arabischer, chinesischer, finnischer, koreanischer, ungarischer und vietnamesischer Herkunft. Einige sind der Landeskirche in der Internationalen Konferenz christlicher Gemeinden besonders verbunden. [Link www.ikcg-hannover.de] 

Der Blick in unsere Kindergärten und Familienzentren zeigt, dass die Vielfalt des globalen Christentums bei uns schon angekommen ist. Überhaupt gerät in der öffentlichen Diskussion oft aus dem Blick, dass ein wesentlicher Teil der Migrantinnen und Migranten nach Deutschland christlich geprägt ist. Kinder und Eltern aus diesen Gemeinden bereichern schon länger das religiöse Leben mit ihren Bräuchen und Liedern.

Die Kooperation mit den GaSH-Gemeinden solle noch enger werden. Das könne dazu führen, dass Eingewanderte der zweiten oder dritten Generation noch leichter Kontakt zu den Ortsgemeinden finden könnten.

Auf die große Zahl der Flüchtlinge, die Deutschland seit 2015 erreicht hat, hat die Landeskirche von Anfang an mit zahlreichen Hilfsangeboten reagiert. Zehntausende Ehrenamtliche haben sich engagiert – und tun dies weiterhin. Ein zweistelliger Millionenbetrag ist aus den Kassen der Landeskirche in Projekte geflossen. Für die Jahre 2018 und 2019 stehen zusammen weitere vier Millionen Euro bereit. 

Erstmals haben sich jetzt mehr als dreißig Leitende Geistliche verschiedenster europäischer Kirchen mit einer „Weihnachtserklärung“ zu Migration und Flucht zu Wort gemeldet. Aus Deutschland hat unter anderem der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm unterschrieben.

"Weihnachtserklärung" der Kirchen