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Skulptur TWINS wird multimedial erklärt

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Am 4. Mai vergangenen Jahres wurde sie feierlich enthüllt, die Skulptur TWINS am Kirchenamt der Landeskirche Hannovers an der Roten Reihe. Die TWINS sind eine Neuinterpretation des Motives von Ecclesia und Synagoga (Kirche und Judentum) als zwei Frauengestalten auf Augenhöhe – ein Gegenbild zu der anderthalb Jahrtausende währenden Abwertung des Judentums durch das Christentum mit einer diffamierenden Synagoga-Darstellung in der christlichen Kunst-, aber auch Theologie- und Kirchengeschichte.

In den beiden Multimedia-Präsentationen wird in Video, Foto, Ton und Text diese Motivgeschichte von der Beauftragten für Kirche und Judentum, apl. Prof. Dr. Ursula Rudnick, sachkundig und mit Fotos erklärt. Von der Präsidentin des Landeskirchenamtes, Dr. Stephanie Springer, erfahren die Nutzerinnen und Nutzer mehr über den Standort des Kunstwerkes nahe des Mahnmals der ehemaligen Synagoge. Der Künstler Johan Tahon kommt zu Wort, in der Vertiefung auch jüdische Stimmen.

Passantinnen und Passanten können an der Skulptur über einen QR-Code die etwa zwölfminütige Einführung auf ihrem Smartphone aufrufen und sich – ähnlich wie bei einem Audio-Guide – Grundlagen berichten und erläutern lassen. Die Einführung ist aber – wie die Vertiefung – auch über die genannte Web-Adresse erreichbar.

In der Vertiefung besteht Gelegenheit, sich zudem von Johan Tahon die Entstehung der Skulptur erläutern zu lassen, die Bedeutung des Namens näher zu ergründen oder Dr. Gábor Lengyel, Seniorrabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde, bei der Beschreibung des Wandels der christlich-jüdischen Beziehungen in den vergangenen Jahrzehnten aus jüdischer Sicht zuzuhören. Dieser Wandel hin zu einer Beziehung der Wertschätzung und eines Dialoges auf Augenhöhe hat die Landeskirche Hannovers dazu veranlasst, die veränderte Beziehung zum Judentum in ihrer Verfassung für Gegenwart und Zukunft festzuschreiben und mit der Errichtung der Skulptur TWINS auch nach außen zu dokumentieren und verständlich zu machen. Auch das wird in den Präsentationen deutlich.

Produziert wurden die Einführung und die Vertiefung von dem Freien Fotojournalisten und Journalisten Stefan Heinze im Auftrag und in Kooperation mit der Landeskirche Hannovers, genauer der Arbeitsfelder Kirche und Judentum sowie Kunst und Kultur des Hauses kirchlicher Dienste und der Evangelischen Medienarbeit der Landeskirche. Den internationalen Kunstwettbewerb für die Skulptur, an dem auch Rabbiner Lengyel als Juror beteiligt war, förderte die landeskirchliche Hanns-Lilje-Stiftung.

Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Mit dem Bildhauer Johan Tahon wurden die TWINS am Landeskirchenamt von einem international renommierten Künstler gestaltet. Ohne Bildhauerei, sagt der Belgier, könne er nicht leben. Stets ist er auf der Suche nach dem Menschen und dessen Ort in der Welt. Tahon wurde 1965 in Menen (Belgien) geboren. Er lebt und arbeitet in Sint-Denijs-Boekel (Belgien) und in Los Angeles (USA). Er studierte Skulptur an der Ghent Royal Academy of Fine Arts.

Seit 1994 stellt Tahon seine Werke regelmäßig sowohl in Belgien wie im Ausland aus. Nach verschiedenen Präsentationen im eigenen Studio erlebte er den ersten Durchbruch nach der Ausstellung De Rode Poort im Ghent Museum of Contemporary Art im Jahr 1996 (Kurator Jan Hoet, Documenta 9). Tahon nahm an international bedeutsamen Ausstellungen teil. In Deutschland erlangte Tahon Bekanntheit durch Einzelausstellungen unter anderem im Kunstverein Schwerte, dem Gerhard Marcks Haus in Bremen und verschiedenen Ausstellungen in Berlin. Tahons Skulpturen sind Teil wichtiger öffentlicher wie privater Sammlungen.

Für Tahon bedeutet, Kunstwerke zu schaffen, eine äußerst individuelle Suche aufzunehmen nach dem Menschen und seinen Bedürfnissen sowie die unabänderliche Einsamkeit menschlicher Existenz zu präsentieren. Die Suche nach einem Daseins-Ort ist bezeichnend für seine Arbeit. Tahon drückt ein grundlegendes Bedürfnis der Suche nach Spiritualität aus und berührt des Menschen Unbedeutsamkeit im Verhältnis zum Universum oder des Menschen Unvollkommenheit im Verhältnis zum Göttlichen.

Arbeitsfeld Kirche und Judentum

Das Motiv von Ecclesia und Synagoga

Von Anfang an war das Christentum herausgefordert, sich in eine Beziehung zum Judentum zu setzen. Das Christentum war überzeugt, an die Stelle des jüdischen Volkes getreten zu sein und die Verheißungen Gottes geerbt zu haben. Dem jüdischen Volk und der jüdischen Religion wurde ihr Anspruch auf die Wahrheit abgesprochen. Dieser Streit wurde zwischen Christen und Juden seit der Antike polemisch geführt. Das Motiv von Ecclesia und Synagoga, von Kirche und Judentum macht dies augenfällig.

Ecclesia und Synagoga werden meist als junge, meist prächtig gekleidete Frauenfiguren dargestellt, die von gleicher Größe und gleicher Gestalt sind. Unterscheiden sie sich zunächst nur durch ihre Insignien, ist im Lauf der Zeit eine immer stärker werdende Diffamierung der Synagoga zu beobachten. Synagoga erhält nun eine Binde vor den Augen als Zeichen ihrer Blindheit, ihr Fahnenschaft ist zerbrochen, die Gesetzestafeln entgleiten ihr, ihre Krone rutscht ihr vom Kopf. Ihr wird der Vorwurf des Gottesmordes gemacht.

Nach der Schoa setzte sich Schritt für Schritt die Einsicht durch, welchen Anteil christliche Theologie durch ihre Diffamierung an Judenfeindschaft hatte. Das christlich-jüdische Gespräch führte zu einer Veränderung der theologischen Wahrnehmung des Judentums und zu grundlegenden Veränderungen christlicher Selbstdefinition.

Dieser Paradigmenwechsel hat seinen Niederschlag in der Synodalerklärung der Hannoverschen Landeskirche von 1995 und in der Verfassungsänderung von 2013 gefunden. In der Verfassung heißt es seither: „Die Landeskirche ist durch Gottes Wort und Verheißung mit dem jüdischen Volk verbunden. Sie achtet seine bleibende Erwählung zum Volk und Zeugen Gottes. Im Wissen um die Schuld unserer Kirche gegenüber Juden und Judentum sucht die Landeskirche nach Versöhnung. Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum.“

Dr. Ursula Rudnick

Multimedia-Plattform stories-e.de ermöglichte die Umsetzung

Sowohl die Einführung für Smartphone, als auch die Vertiefung für den Bildschirm wurden auf der landeskirchlichen Multimedia-Plattform stories-e.de produziert. Dabei handelt es sich um eine Adaption von Pageflow, einem vom WDR geschaffenen, leistungsfähigen Werkzeug für multimediales Erzählen. Pageflow hat sich in wenigen Jahren zu einem beliebten journalistischen Tool zum Berichten mit Video, Foto, Ton und Text entwickelt. Mit stories-e.de stellt die Evangelische Medienarbeit (ehemals Evangelisches MedienServiceZentrum) Pageflow Gemeinden, Kirchenkreisen und Einrichtungen der Landeskirche Hannovers zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung.

Arbeitsfeld Kirche und Judentum