Startseite Archiv Tagesthema vom 06. Juni 2017

Regen kann die Kirche nicht stoppen

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Evangelische Gemeinden zwischen Börde und Ith feiern großen Kirchenkreis-Gottesdienst in Elze

Wer gedacht hatte, die Kirchenleute würden sich von einer Regennacht einschüchtern lassen und klein beigeben, täuschte sich mächtig. Ein ganzes Jahr hatte sich der evangelische Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld auf dieses Ereignis gefreut, lange liefen die Vorbereitungen: ein großer, gemeinsamer Gottesdienst für alle Gemeinden zwischen Börde und Ith, das erste Treffen dieser Art.

Und zugleich ein symbolstarker Auftakt für mehrere besondere Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum. Damit wollte man sich nicht in die nahe Peter- und Paul-Kirche verkriechen. Das sollte am Pfingstsonntag unter freiem Himmel und für alle sichtbar passieren.

Auch für Ortsunkundige war Elzer Rolandsplatz nicht zu verfehlen. Die swingenden Klänge einer Jazzband wiesen schon eine halbe Stunde vor Gottesdienstbeginn den Weg. Da waren bereits alle Stühle besetzt und nur noch Stehplätze zu bekommen, obwohl es von oben immer noch tröpfelte. Kein Problem, meinte Elzes gut gelaunter Bürgermeister Rolf Pfeiffer: „So ist das immer bei uns, wenn wir Veranstaltungen haben. Es regnet bis eine halbe Stunde davor, dann kommt ein Wind und pustet die Wolken weg.“ 

Er sollte Recht behalten. Beim eigentlichen Auftakt nieselte es noch ein bisschen, aber zur Predigt des SuperintendentInnen-Duos Katharina Henking und Christian Castel kam schon die Sonne hervor. „Unsere Kirche bricht auf“, lautete das Motto.

Das sei gleich dreifach zu verstehen, sagte Castel: Zunächst erinnere der Satz daran, wie die Jünger nach dem Pfingstwunder losgezogen seien. Dann an Luthers Thesenanschlag in Wittenberg, der den Aufbruch in die Neuzeit markiert habe. Und schließlich auch die aktuelle Situation der Kirche, die in der Gesellschaft an Bedeutung verliere und zu neuen Ufern aufbrechen müsse.

Die Gemeinden haben in den zurückliegenden Monaten Thesen gesammelt, wie das zu bewerkstelligen wäre. Indem „man dem Selbstverständlichen die nötige Achtung schenkt“, lautete eine Idee; dass man wilden Aktionismus meiden und dem Heiligen Geist Raum gebe solle, eine zweite, und die nächste, dass die Kirche aufhören müsse, sich um sich selber zu drehen.

Einige dieser Thesenkarten schlugen Elzer Jugendliche an eine alte Kirchentür an, die übrigen waren an Stoffbändern angebracht.

„Unsere Kirche bricht auf, wenn sie eine Sprache findet, das Evangelium verständlich in Wort und Musik zu verkündigen“, war eine weitere These, die Henking und Castel für ihre Predigt herausgepickt hatten. Beide Forderungen löste der Pfingst-Gottesdienst unmittelbar ein.

Die Musik spielte eine tragende Rolle. Neben der Jazzband, die sich zu zwei Dritteln aus Mitgliedern der Burgstemmer Pastorenfamilie Rüter zusammensetzte, waren auch BläserInnen aus allen Teilen des Kirchenkreises unter der Leitung von Kantor Christoph Pannek aus Bockenem zu erleben. So wechselten traditionell begleitete Gemeindelieder mit jazzig groovenden Kyries und Glorias.

Damit nicht genug, sorgte der Kleri-Chor für noch mehr Abwechslung. Der Kleri-Chor ist ein Ensemble, in dem die meisten PastorInnen und DiakonInnen des Kirchenkreises mitsingen, es wurde speziell für diesen Anlass gegründet. Mit ihrem Ohrwurm „Wir sind Gottes Kinder“ hatten die Geistlichen die rund 400 GottesdienstbesucherInnen sofort auf ihrer Seite und erntete reichlich Applaus.

Nach dem Gottesdienst wechselten alle zur Peter- und Paul-Kirche, um in ihrem Schatten eine neue Luther-Eiche zu pflanzen – mitten im Treiben des Mittelaltermarktes, mit dem Elze an diesem Wochenende sein Stadtfest feierte.

Mit einer Vernissage in der Kirche folgte gleich der nächste Programmpunkt. Pastorin Evelyn Schneider eröffnete dort die Ausstellung „Luther im Quadrat". Menschen aller Altersgruppen haben fast 200 Rahmen künstlerisch gestaltet. Sie zeichneten, malten oder fertigten Kollagen an und hielten so ihre Gedanken zu Luther fest. Die bunten und vielfältigen Ergebnisse hängen nun in der Kirche von den Emporen herunter. 

Ralf Neite

Auf Empfang von oben schalten

Die Sonne blitzt durch das Grün hoher Bäume, Posaunenbläser spielen sich ein, mit Klappstuhl, Kissen oder Decke unterm Arm strömen Besucher zum Hünengrab im Klecker Wald und wünschen einander „Frohe Pfingsten“: Pfingstmontag sind wieder etwa 800 Besucher zum Waldgottesdienst des Kirchenkreises in den Klecker Wald gekommen, um Glauben und Gemeinschaft zu teilen. Superintendent Dirk Jäger stellte in seiner Predigt die Geschichte vom Turmbau zu Babel der Pfingstgeschichte gegenüber: „Beide Geschichten sind Bilder. Das eine vom Größenwahn der Menschen, das andere von der göttlichen Gründung der Kirche.“ Er ermutigte die Gottesdienstbesucher, sich nicht gefangen nehmen zu lassen durch zu große eigene Pläne und fremde Ansprüche. 
 
Superintendent Dirk Jäger und Pastorin Anke Klindworth aus Heidenau hielten den Gottesdienst auf dem Hünengrab gemeinsam. Dirk Jäger übertrug die Geschichte vom Turmbau auf die heutige Zeit: „Sie erzählt, wie die Menschen waren – und wie sie sind. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Staaten pflegen ihre nationalen Egoismen, führen nach wie vor Kriege gegeneinander, es gibt Terroranschläge ohne absehbares Ende. Und im Zwischenmenschlichen findet es ähnlich statt; Menschen gehen miteinander um, wie es nicht sein sollte.“ Größenwahn habe es immer schon gegeben, damals mit einem Turm zum Himmel, heute bei der gierigen Anhäufung von Geld, beim Überschreiten ethischer Normen, beim ignoranten Missachten der Rechte anderer. „Der unsägliche und egomane Infantilist aus dem Weißen Haus markiert derzeit die traurige Spitze des Eisbergs“, sagte Jäger in Anspielung auf den US-Präsidenten.

Mit Pfingsten habe aber eine neue Zeitrechnung begonnen, eine neue Dimension, und die Menschen seien sozusagen auf „Du und Du“ mit Gott. „In Jesus Christus hat Gott den Menschen gezeigt, dass das Wichtigste etwas anderes ist als das bis aufs Letzte ausgereizte Ausschöpfen unserer Möglichkeiten. Die Bibel nennt dies schlicht Nächstenliebe – die kürzest mögliche Zusammenfassung unseres Glaubens.“ Daran zu erinnern und danach zu handeln sei Aufgabe der Kirche. „Wir könnten es Gottes Geist etwas leichter machen mit uns, wenn wir auf Empfang schalten und nicht ständig nach oben wollen, sondern mehr von oben erwarten“, sagte Jäger.

Carolin Wöhling