Startseite Archiv Tagesthema vom 07. Juli 2015

Kompetenz vor Defizit

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Arbeitsmarktexperten fordern Reformen bei der Hartz-IV-Praxis von Sanktionen hin zu mehr Belohnung. „Hartz IV ist an Langzeitarbeitslosen gescheitert“, sagte Professor Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in Hannover.

Jobcenter sollten sich nicht weiter auf Defizite und Strafen konzentrieren, sondern müssten sich positiv auf die Kompetenzen von Langzeitarbeitslosen ausrichten. Zudem müsse es deutlich mehr öffentliche Beschäftigung für die Betroffenen geben.

Wegner diskutierte mit Fachleuten und Interessenvertretern über die neue EKD-Denkschrift „Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt“. Das 144-seitige Papier, an dem eine EKD-Kammer vier Jahre lang gearbeitet hatte, würdige aus kirchlicher Sicht erstmals die Einführung des Mindestlohns, erläuterte Wegner.

Der niedersächsische Gewerkschafts-Chef Hartmut Tölle kritisierte, dass Menschen in fürsorgenden Berufen in Deutschland zu wenig Geld verdienten und nur wenig Ansehen hätten. „Altenpflegerinnen, Erzieherinnen und andere werden in unserer Gesellschaft schlecht bewertet und schlecht bezahlt“, sagte der Bezirksvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt.

Gerade die Dienste am Menschen stammten aus der christlichen Tradition. Diese Berufe müssten aus der Profitlogik marktwirtschaftlicher Konzerne herausgenommen werden, forderte Tölle: „Das sind ganz andere Kategorien.“

Unternehmervertreter Volker Müller kritisierte, dass in der EKD-Denkschrift die Rahmenbedingungen für Arbeitgeber keine Rolle spielten. „Es wird nicht darüber gesprochen, wie wir in einer globalisierten Welt erfolgreich sein können.“

Erst wenn wirtschaftlicher Erfolg gesichert sei, könne über die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen diskutiert werden, sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen. Hartz IV habe vielen Menschen Arbeit im Niedriglohnsektor verschafft. Dies sei besser, als langzeitarbeitslos zu sein.

epd

Die Quadratur des Kreises scheint kaum schwieriger als die Verbindung von Familie und Beruf. Denn auf beiden Seiten haben sich Vorstellungen und Anforderungen in den letzten Jahrzehnten so sehr verändert, dass Friedrich Schillers Darstellung im Lied von der Glocke eher zum Lachen reizt. Dennoch: zwar hat sich einerseits die Wochenarbeitszeit auf ein ungeahntes Maß verringert und andererseits wird der Anspruch auf einen Kindergartenplatz gesetzlich verankert.

Arbeitswelt christlich gesehen

Die EKD-Denkschrift wurde Ende April in Frankfurt am Main vorgestellt. Sie will die derzeitige Arbeitswelt aus christlicher Sicht kommentieren. Die Schrift erörtert etwa, welche Chancen und Risiken Digitalisierung, Globalisierung und Entgrenzung für die neue Arbeitswelt nach sich ziehen. Auch die wachsende soziale Ungleichheit, die Rolle der Gewerkschaften und Kriterien eines protestantischen Arbeitsethos gehören zu den Themen.

Solidarisch und selbstbestimmt

Unter dem Motto „Arbeiten 4.0 – solidarisch und selbstbestimmt“ lädt der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA auch am Donnerstag, den 9. Juli, von 19 bis 21 Uhr in die Marienkirche Osnabrück ein.

KDA-Referent Dr. Matthias Jung wird die Diskussion zwischen Prof. Dr. Traugott Jähnichen aus Bochum und Cornelia Coenen-Marx, pensionierte Oberkirchenrätin aus Hannover, leiten. Beide sind maßgeblich in der Kammer für soziale Ordnung der EKD bei der Abfassung der Denkschrift beteiligt gewesen.