
Ein Vogel fliegt durch den Raum und am Ende des Tages erscheint der Sternenhimmel – die Künstlerin Nicola Dicke lässt die massiven dunklen Betonwände im Schiff der Matthäus-Kirche in Hannover tatsächlich in neuem Licht erstrahlen.
Helle Fenster erscheinen auf den Wänden, Blüten öffnen sich. Ihre strahlende Demonstration war Teil des Fachtags „Licht im Kirchenraum“ mit 150 Teilnehmenden. Eine zentrale Botschaft der Tagung: Das Licht hat eine theologische Aussage, die sich mithilfe von Lichtkunst erfahrbar machen lässt. „Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis“ heißt es in einem Paulus-Brief (1. Thessalonicher 5,5). Veranstalter waren die Arbeitsfelder „Kunst und Kultur“ und „Offene Kirchen“ des Hauses kirchlicher Dienste in Hannover. „Stecker rein und los“, warb Lichtkünstlerin Dicke. „Durch Licht ist es möglich, den Menschen ein ganz anderes Erlebnis ihrer Kirche zu ermöglichen“, sagte die Künstlerin.
Es gebe kein zu viel oder zu wenig an Licht – es gehe darum, die Möglichkeiten im Umgang damit auszuprobieren. Das Spektrum in der Tagung war breit, es reichte von Arbeiten des international renommierten amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell über die Außenbeleuchtung von Kirchen bis hin zum Einsatz von Kerzen in der Kirchenpädagogik. Es gab „leuchtende Beispiele“: Werner Lemke, leitender Baudirektor aus dem Landeskirchenamt, erläuterte die James-Turrell- Lichtinstallation in der Kapelle des Dorotheenstädtischen Friedhofs Berlin.
In einer Quäker-Familie aufgewachsen, wurde der Künstler von dem Gedanken beeinflusst, dass das „innere Licht“ in jedem Menschen gegenwärtig ist. Dieses innere Licht bringe Turrell in seinen Kunstwerken zum Vorschein und lasse die Betrachter spüren, wie sich die Grenzen zwischen innen und außen auflösen. Auch die Marien-Petri-Gemeinde in Wennigsen hat in ihrer Friedhofskapelle mit Licht gearbeitet.
„Sterben wird zunehmend als das Ende eines durch Gestaltungsfreiheit und Konsum sinnvollen Lebens empfunden. Tod ist sinnlos, Trauer ist privat“, sagte Pastor Carsten Wedemeyer. Er zeigte gemeinsam mit Katja Hennig, Planerin in der Bauabteilung der Klosterkammer Hannover, wie aus einer Friedhofskapelle, „die in die Jahre gekommen ist“, durch Licht und Farbe ein moderner Raum entstehen konnte, in dem sich trauernde Menschen verstanden fühlen und Trost finden. Auch mit überschaubarem finanziellen Aufwand ist es möglich, einen Kirchenraum radikal zu verändern.
Die St.-Lamberti-Kirchengemeinde in Bergen hat ein farbenfrohes Lichtkonzept ausgewählt, das die weiße Runddecke je nach Ereignis in blau, violett, gelb, grün oder orange strahlen lässt. Eine versteckte LED-Leiste sorgt unaufdringlich für passende Stimmungslagen. Mitveranstalter Pastor Achim Kunze, Referent für Kunst und Kultur im Haus kirchlicher Dienste, hatte das Ziel der Veranstaltung so beschrieben: „Wenn die Menschen nach Hause gehen und sagen, ich probiere es mal mit dem Licht in meiner Kirche aus. Es muss nicht immer zu teuer oder auch zu kompliziert sein; oft reichen ein durchdachtes Konzept und die einfachsten Mittel.“