Gefüllte Marktkirche in Hannover

Bild: Jens Schulze

Kirchenkampf und Krieg

Eine so genannt "intakte Landskirche"

Pastoren und HJ
Begegnung zwischen Vertretern der Kirche und der Hitlerjugend (HJ), Hannover um 1940, Bild: Landeskirchliches Archiv

Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gewannen bei kirchlichen Neuwahlen die Deutschen Christen (DC) in der Kirchenleitung, im Landeskirchentag und in vielen Kirchenvorständen. Die meisten Pastoren und geistlichen Würdenträger der Landeskirche, allen voran Landesbischof Marahrens, wehrten sich gegen die von den DC geplante „Gleichschaltung“ der Landeskirchen in einer staatlich kontrollierten Reichskirche. Als der Versuch, Landesbischof Marahrens abzusetzen, scheiterte, verloren die DC ab 1934 ihre Machtposition in der Landeskirche.

Allerdings gelang es den Nationalsozialisten, kirchliche Neuwahlen zu unterbinden. So gab es von 1934 bis 1945 keinen Landeskirchentag (Synode) und in vielen Gemeinden keine funktionierenden Kirchenvorstände. Verwaltet wurde die Landeskirche durch eine vom staatlichen Kirchenministerium und dem Landesbischof gemeinsam bestellte Kirchenregierung. Unter dieser gemäßigten staatlichen Aufsicht blieb die hannoversche Landeskirche, im Gegensatz zu anderen Landeskirchen, während der restlichen Zeit der NS-Diktatur in geistlichen Fragen relativ unabhängig.

Einführung reichsbischof
Landesbischof Marahrens und andere bei der Einführung von Reichsbischof Müller, Wittenberg 1933, Bild: Landeskirchliches Archiv

Entscheidend für den hannoverschen Sonderweg war die Persönlichkeit von Landesbischof August Marahrens. Gemäß lutherischer Zwei-Reiche-Lehre unterschied Marahrens streng zwischen kirchlichem und staatlichen Machtbereich: Als Geistlicher war er überzeugter Anhänger, Gründungsmitglied und Vorsitzender der 1. vorläufigen Leitung der Bekennenden Kirche und duldete keine staatliche Einmischung in religiöse und kirchliche Belange. Als Staatsbürger dagegen war er der Regierung und Hitler als Staatsoberhaupt treu und loyal ergeben und erlaubte kirchlicherseits keine offene Kritik an der staatlichen Politik. Stattdessen versuchte er immer wieder zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen bzw. dem NS-Regime zu vermitteln. Das gab ihm und seiner Landeskirche einen gewissen Schutz vor staatlicher Einmischung, andererseits wurden beide oft zu schweigenden Zuschauern des NS-Unrechts. Seine Haltung wurde Landesbischof Marahrens später oft vorgeworfen und macht ihn bis heute zu einer der umstrittensten Persönlichkeiten der hannoverschen Kirchengeschichte.

Der Zweite Weltkrieg war für die Landeskirche verheerend: viele Pastoren und Vikare mussten an die Front und starben dort. Zahlreiche Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäuser wurden durch Kämpfe und Bomben beschädigt und unbenutzbar. Im Jahre 1943 wurden Landeskirchenamt und Bischofskanzlei bei einem Bombenangriff auf Hannover vollständig zerstört.

Notkirche
Notkirche am Ende des Krieges, Bild: Landeskirchliches Archiv

Doch das geistliche Leben in den Gemeinden ging weiter: Pfarrfrauen übernahmen Gottesdienste und Seelsorge. Oft dienten auch private Wohnungen als Notkirchen: das Bedürfnis der Menschen nach Gebet und Seelsorge war groß.