Als die Nazis nach der Synode griffen
Mehr als 60 Jahre arbeitete die 1863 begründete Landessynode problemlos und effektiv. Doch im siebzigsten Jahr kam es zu einer schweren Verfassungskrise – der bisher schwersten in der Geschichte der Landeskirche. Ursache war 1933 die Machtergreifung der Nationalsozialisten, die in ganz Deutschland auch in den Kirchen auf dem Vormarsch waren.
Andere Kirchenvertreter wiederum wehrten sich im „Kirchenkampf“ gegen eine Gleichschaltung. Vor allem dem Eingreifen von Landesbischof August Marahrens (1875-1950) ist es zu verdanken, dass die Landeskirche während des „Dritten Reiches“ nicht von den nationalsozialistischen „Deutschen Christen“ dominiert wurde. Der Preis dafür war hoch – die synodale Arbeit kam vollständig zum Erliegen. Von 1934 bis 1946 hat im Hannoverschen keine Synode mehr getagt.
Das Bischofsamt war erst 1924 in der hannoverschen Kirchenverfassung verankert worden, weil die Landeskirche nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und der Trennung vom Staat ihren obersten Kirchenherrn verloren hatte. In die bisherigen Rechte des Königs trat der Kirchensenat ein, dem der Bischof vorstand. Zugleich wurde die Landessynode in „Landeskirchentag“ umbenannt. „Das war schlichte Deutschtümelei“, sagt der Kirchenhistoriker Professor Hans Otte.
Die Geschichte des hannoverschen Kirchenkampfes beginnt im Juni 1933 im fernen Berlin. Dort nutzte die preußische Regierung eine unklare Rechtssituation, um für alle evangelischen Kirchen auf ihrem Gebiet einen Staatskommissar einzusetzen. Für Hannover war dies Pastor Gerhard Hahn (1901-1943) aus Elmlohe bei Bremerhaven. Er war Landesleiter der NS-Kirchenpartei „Deutsche Christen“ und saß seit 1932 zugleich für die NSDAP im preußischen Landtag. Hahn versuchte, mit einer ganzen Reihe juristischer Tricks die hannoversche Landeskirche auf NS-Kurs zu bringen. Und die Situation war zunächst günstig für ihn: Als im Sommer Kirchenwahlen anstanden, rückten über sogenannte Einheitslisten zahlreiche Nationalsozialisten und „Deutsche Christen“ in die Kirchenvorstände und später auch in den Landeskirchentag. Dort stellten sie die Mehrheit der 62 Mitglieder.
Gerhard Hahn ging aber noch einen Schritt weiter: Gedeckt durch eine Vollmacht des Kultusministers beanspruchte er die Rechte des Kirchensenats für sich und berief vier neue Mitglieder in das Gremium. Der so manipulierte Kirchensenat wiederum berief neun NS-treue Mitglieder in den neuen Landeskirchentag. So erzielten die „Deutschen Christen“ dort eine verfassungsändernde Drei-Viertel-Mehrheit. Der 4. Landeskirchentag von 1933 ging als „braune Synode“ in die Geschichte der hannoverschen Landeskirche ein.