Als der König sich verzockte
Der Titel klang unspektakulär. „Vorsynode“ nannte sich das Gremium, zu dem sich am 6. Oktober 1863 in Hannover 72 wohlsituierte Herren versammelten. Ihr Auftrag: eine Verfassung für die evangelischen Gemeinden im Königreich Hannover zu entwickeln, zu der auch die Ordnung für eine Synode gehören sollte.
Doch der nüchterne Titel hatte es in sich. Denn die 72 Herren hatten durch ihre Beratungen einen heftigen Konflikt beizulegen, der die Kirche im Jahr zuvor bis auf die Grundfesten erschüttert hatte: den „Katechismusstreit“. Und sie arbeiteten so gründlich, dass ihr Werk drei Jahre später eine noch schwerere Krise überdauerte: das Ende des Königreich Hannovers durch preußische Truppen.
Der Kirchenrechtler Rudolf Smend hat die Vorsynode als „glückliches Ereignis“ der Kirchengeschichte charakterisiert. Sie legte den Grundstein für die 150-jährige Geschichte der Landessynode bis heute.
Der Historiker Professor Hans Otte sieht in der Vorsynode sogar das entscheidende Datum für die Existenz der Landeskirche überhaupt. „Die Bildung der Landessynode bedeutet eigentlich die Gründung der Landes-kirche“, betont er. „Denn jetzt wird festgestellt, welche Gemeinden dazugehören.“
Ein Blick auf die Landkarte von damals zeigt im 1814 gegründeten Königreich Hannover sieben Kirchenbezirke mit staatlichen Konsistorien als Verwaltungszentren: Neben dem großen Bezirk Hannover waren dies Loccum, Aurich, Stade, Osnabrück-Stadt, Osnabrück-Land und Otterndorf. Die Konsistorien waren zum Teil aus alten Fürstentümern hervorgegangen und pflegten ausgeprägte Eigeninteressen. Die einzige Klammer, die sie zusammenhielt, war das königliche Kultusministerium in Hannover. Entschieden wurde ganz nach Landesherren-Art: strikt von oben nach unten.
Doch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierten sich zwei sehr unterschiedliche Bewegungen mit dem gemeinsamen Ziel, diese Ordnung zu verändern. Liberale Kräfte wollten – von der französischen Revolution herkommend – mehr Mitbestimmung in die Kirche bringen.
Und lutherisch-konfessionelle Kreise strebten – von der Erweckungsbewegung herkommend – eigene Strukturen für die Kirche an, um Religion und Glauben zu stärken. Denn am Horizont zeichnete sich bereits die Trennung von Kirche und Staat ab. Beide Seiten konnten sich auf das hannoversche Staatsgrundgesetz von 1833 stützen, das bereits eine Versammlung aus gewählten und beru-fenen geistlichen und weltlichen Personen vorsah, die den König in kirchlichen Fragen beraten sollte – also eine Art Synode.