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Grafik: Marc Vogelsang

Landessynode und Landtag

„In der Politik kann man sich raufen“

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Hans-Christian Biallas

Herr Biallas, warum sind Sie in die Landessynode gegangen?
Ich war überzeugter Dorfpastor und hatte immer den Eindruck, dass es wichtig ist, dass auch die Menschen aus dem ländlichen Raum, die ihrer Kirche teilweise viel enger verbunden sind als in Ballungsgebieten, auch eine Stimme in der Synode haben sollen.

Und warum haben Sie sich später um ein Landtagsmandat beworben?
Wenn man Politik gestalten und mitverantworten will, muss man sich einer geheimen Wahl aller wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger stellen. Das gibt es in der Kirche so nicht. Wenn man aber gewählt ist, hat man Verantwortung, und kann sich auch im tagespolitischen Geschäft ordentlich raufen. Das gehört sich in der Synode nicht.

Worin unterscheiden sich Synode und Landtag?
Ein Parlament wird von allen gewählt. Die Synode nicht – es wählen nur die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher und die Theologinnen und Theologen. Das Kirchenvolk kann nicht wählen. Und ein Parlament zeichnet sich dadurch aus, dass es eine Regierung gibt, die vom Parlament gewählt wird. Das ist ein großer Unterschied. Die Synode wählt zwar den Landesbischof, aber mitnichten eine Kirchenregierung. Ein Parlament hat eine Regierungskoalition oder -partei und die Opposition. Gegen eine solche Regelung spricht schon allein der Name „Synode“, abgeleitet aus dem Griechischen „synodos“, also Zusammenführung auf einen Weg hin. Eine Synode hat, im Unterschied zu einem Parlament, die Aufgabe, nach einem „magnus consensus“ (großen Konsens) zu suchen. Synoden-Beschlüsse mit einer Stimme Mehrheit sind wertlos. Parlamentsbeschlüsse mit einer Stimme Mehrheit bestimmen den Kurs.

An welchen Punkten hat Ihnen Ihre Erfahrung aus der Synode für Ihre spätere Landtagsarbeit genutzt?
Sie hat mir, was rhetorische Fertigkeiten angeht, durchaus genutzt. Reden vor der Synode sind, wenn sie einigermaßen gut sind, nicht Predigten oder Kanzelreden. Das andere ist die Fähigkeit, in schwierigen Situationen durch Argumente Mehrheiten zu organisieren. In der Synode ging das häufig über die Gruppenbildung hinaus. Im Landtag gibt es hier eine Mehrheit und dort eine Minderheit. Und die Minderheit hat ein Problem: Sie kann so klug sein, wie sie will – sie wird sich nicht durchsetzen.

Welches war Ihre parlamentarische Sternstunde im Landtag?
Sternstunden sind die Momente, in denen über grundsätzliche ethische Fragen debattiert wird. Über Präimplantationsdiagnostik hatten wir so eine außerordentlich niveauvolle Debatte im Landtag, weil wir uns völlig frei von parteipolitischer Zugehörigkeit sachlich, fachlich, ethisch, theologisch, medizinisch ausgetauscht haben, ohne Beleidigungen und mit großem Respekt vor der Meinung des anderen. Sternstunden kommen aber relativ selten vor. Dazu gehörten auch Momente, in denen es gelang, mit guten Argumenten in begründeten Einzelfällen einen einstimmigen Beschluss des ganzen Landtages herbeizuführen.

Haben Sie auch Sternstunden in der Synode erlebt?
In der Synode war fast jede Sitzung eine Sternstunde, weil zunächst das gemeinsame Bemühen um einen glaubwürdigen Auftritt der Kirche im Vordergrund stand – obwohl auch sehr kontrovers gestritten werden konnte.

Gibt es Dinge in der parlamentarischen Arbeit, die Sie nicht mögen?
Mir widerstrebt es, wenn sich die Akteure wichtiger nehmen als die Sache, um die es geht. In der Synode wie im Parlament geht es nicht darum, sich mit sich selbst zu beschäftigen, sondern darum, die Kirche oder das Gemeinwesen nach vorne zu bringen.

Würden Sie Leuten empfehlen: Lasst Euch in die Synode wählen?
Ja. Ich gehöre allerdings zu denen, die weitere demokratische Elemente in der Kirche begrüßen würden. Ich finde die Urwahl der Synode selbst bei schlechter Wahlbeteiligung noch besser als die reine Funktionärswahl. Die Gemeinde müsste eigentlich wie bei der Kirchenvorstandswahl auch ihre Landessynode wählen.