Polizeiseelsorgende begleiten Polizistinnen und Polizisten in unterschiedlicher Weise bei der Ausübung ihres Dienstes, und, wenn es gewünscht wird, auch darüber hinaus, z. B. durch kirchliche Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen oder Beerdigungen. Die seelsorgerliche Zuwendung zum ratsuchenden Menschen hat dabei ein besonderes Gewicht. Diese Form kirchlicher Begleitung versteht sich grundsätzlich nicht als Konkurrenz zu den qualifizierten polizeieigenen Unterstützungs- und Begleitangeboten, z. B. der regionalen Beratungsstellen, des Sozialwissenschaftlichen und des Medizinischen Dienstes, sondern als deren Ergänzung. Dabei bieten das juristisch herausragend bewehrte Beichtgeheimnis mit dem Zeugnisverweigerungsrecht der Geistlichen einen Schutzraum, in dem die offene, angstfreie und repressionsgeschützte Reflexion auch extremer Erfahrungen, wie sie z. B. ein Schusswaffengebrauch darstellen kann, möglich ist. Neben dem seelsorgerlichen Gespräch stehen die Begleitung von Einsätzen mit möglicherweise oder gesichert hohem Belastungspotential, wie es bei der Begleitung von Fußballspielen, von Demonstrationen im Rechts-Links-Spektrum oder beim Castor-Transport begegnet.
Über diesen medienwirksamen Ereignissen mit einer großen Zahl Beteiligter dürfen aber auch die von der Polizei zu bearbeitenden „Alltagskatastrophen“ nicht vergessen werden, die eine kleine Zahl von Menschen betreffen, aber für diese das ganze Leben infrage stellende Ereignisse sein können, wie z. B. die – vor allem erfolglose - Suche nach vermissten Personen, Gewaltverbrechen oder schwerste Verkehrsunfälle. Eine vor jeweiligen Einsätzen bereits erfolgte unaufdringliche Dienstbegleitung und Präsenz ohne besonderen Anlass ist geeignet, Nähe und Vertrauen und damit eine fundierte Kommunikationsbasis angesichts der extremen Situation zu schaffen. Natürlich können die Mitarbeitenden des Kirchlichen Dienstes in Polizei und Zoll keine flächendeckende Einsatzbegleitung im polizeilichen Alltag leisten, aber sie können durch ihre grundsätzliche Bereitschaft, diese Form seelsorgerlicher Nähe zu leben, die Polizei aktiv stärken und sie wertschätzen – und die Seelsorgerin oder der Seelsorger wird dann auch eher zur Nachsorge angesprochen, wenn bekannt ist, dass sie oder er sich ähnlichen Erfahrungen aussetzt, wie die ihr oder ihm Anvertrauten sie machen.
So wird beispielsweise die Präsenz des Kirchlichen Dienstes in Polizei und Zoll beim Castor-Einsatz immer wieder sehr positiv durch die Polizei registriert. Eine zentrale Rolle spielt auch, in enger Kooperation mit den Gleichstellungsbeauftragten der Polizei und des Zolls, die Arbeit für Frauen in der Polizei, wahrgenommen durch eine Seelsorgerin des Kirchlichen Dienstes. Eine Vielzahl besonderer Veranstaltungen und Seminare und die Mitarbeit im Mentoring-Prozess der Polizei sind konkrete Arbeitsformen dieser Seelsorge. Neben der Seelsorge sind die Mitarbeitenden des Kirchlichen Dienstes regelmäßig in die Polizeiausbildung an den Standorten der Polizeiakademie eingebunden und eröffnen im Fach Berufsethik die Möglichkeit zu grundlegenden ethischen Reflexionen polizeilichen Handelns. Darüber hinaus bieten zahlreiche weitere Veranstaltungen wie mehr- oder eintägige Seminare und Fortbildungstage für besondere Funktionsträger nicht nur Gelegenheit zu fachlicher Kompetenzvergewisserung und –erweiterung, sondern auch zur persönlichen Reflexion.
Die Mitarbeitenden der Dienststelle bemühen sich konsequent um Kontaktflächen zwischen Kirchen und Polizei, z. B. durch die Organisation oder Begleitung gemeinsamer Konferenzen von Kirchenkreisen und Polizeiinspektionen, durch Begegnungstage von Funktionsträgern und Führungskräften beider Organisationen oder durch Vorträge von Mitarbeitenden des Kirchlichen Dienstes im binnenkirchlichen Kontext. Als zentrales Thema der nächsten Zeit zeichnet sich der Umgang mit einer kontinuierlich zunehmenden dienstlichen Beanspruchung der Beamtinnen und Beamten ab. Sowohl aus persönlichen Gesprächen mit Polizistinnen und Polizisten verschiedener Dienstgrade, als auch aus der polizeinahen Publizistik4 lässt sich der Schluss ziehen, dass die Kombination aus noch nicht beendetem Personalabbau, quantitativ und qualitativ steigenden Einsatzanforderungen und wachsender gesellschaftlich-sozialer Komplexität polizeilicher Aufgaben5 die dort Arbeitenden immer häufiger an ihre Belastungsgrenzen führen wird. Die gottesdienstlichen Angebote des Kirchlichen Dienstes, z. B. am Buß- und Bettag oder im Advent sind aus Sicht vieler Polizistinnen und Polizisten eine angemessene und hilfreiche Gelegenheit, neu Kraft und Orientierung zu finden und werden zusammen mit der Polizei für die Polizei gestaltet. Immer wieder geht es darin auch um existentielle Themen wie Sterben und Tod oder die zunehmende Fehlbeanspruchung durch eine kontinuierlich zunehmende Arbeitsverdichtung.