Wanderer auf dem Weg zum Gipfel

Bild: Erich Keppler / www.pixelio.de

Im Alter: Grau ist Bunt

Alles Klischee?

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Werbung oder Wirklichkeit? Ältere Menschen werden immer stärker als Zielgruppe entdeckt, dementsprechend nehmen sie längst breiten Raum in der Werbung ein. Das Motiv auf unserem Titelbild hingegen ist echt: Die 92-jährige Else Bugenhagen erfüllte sich mit dem Motorrad-Ausflug einen Lebenstraum. Bild: Michael Hagedorn / Evangelische Zeitung

Klischee hin oder her. Ja, Alter ist manchmal klischeehaft.

Manchmal ist es, wie wir es uns vorstellen. Aber immer öfter ganz anders. Alter ist jugendliche Provokation – Typ 68-jähriger Mick Jagger – und ebenso erhabene hanseatische Altersweisheit – Typ 93-jähriger Helmut Schmidt. Heute im 21. Jahrhundert trägt Alter alles in sich. Vor allem aber Vorurteile.

In seinem Buch „Achtung Vorurteile!“ schreibt der 2004 verstorbene Sir Peter Ustinov: „Winston Churchill trabte noch im hohen Alter ins Parlament. Es verging viel Zeit, bis er endlich seinen Platz eingenommen hatte. Da zerrissen sich zwei Hinterbänklern die Mäuler: Man sagt, er trinke nur noch Brandy – Man sagt, er rauche immer dickere Zigarren – Man sagt, er sei auch im Oberstübchen nicht mehr ganz klar. Da drehte sich Churchill um und schnarrte die Abgeordneten an: „Man sagt auch, er höre schlecht.“

Die Älteren in unserem Land bringen nicht nur das Verständnis für ihre Rolle in unserer Gesellschaft mit, sie sind jung genug, um zu reisen, sich zu bilden, um sich Lebensträume zu erfüllen, neue Familien zu gründen. Aber auch jung genug, um sich ehrenamtlich zu engagieren, um ihre Kinder und Enkelkinder zu unterstützen – in vielen Fällen auch finanziell – und um den Hochaltrigen – ihren Eltern – zu helfen. An manchen Tagen ist das Glas des Lebens halb voll und an anderen dagegen nur halb leer. Alter bedeutet Verlust, aber auch Gewinn. Alter ist Trauer und Freude. Wie gesagt Alter ist Alles.

Sir Peter Ustinov beobachtete am Beginn des 21. Jahrhundert eine „Renaissance des Vorurteils der arroganten Meinung über Menschen, die auf blanker Unkenntnis beruht“. Ähnlich, so glaube ich, geht es uns heute in Bezug auf die ältere Generation. Aus meiner Sicht geht es heute um eine Generationenzukunft für Jung und für Alt. Denn nur wenn die Alten investieren, haben die Jungen künftig Arbeitsplätze. Nur wenn die Alten die Jungen unterstützen, können diese Familien gründen und Häuser bauen. Nur wenn die Jungen Familien gründen und Kinder bekommen, können die Alten von den Sozialsicherungssystemen profitieren. Nur wenn die Jungen innovative Produkte entwickeln, können die Alten auch ein hohes Alter mit Lebensqualität erreichen. Unsere Zukunft ist weder jung noch alt, Zukunft gibt es nur für alle Generationen.

Es braucht die alten Provokateure ebenso wie die jungen Altersweisen. Deshalb lassen Sie uns heute damit beginnen, die Vorurteile über jedes Alter zu beenden.

Von Andreas Reidl, Bundesvorsitzender der Deutschen Seniorenpresse e.V. (aus: Evangelische Zeitung)

Betüddeln kommt nicht mehr an – die Kirche muss den Erwartungen älterer Menschen entsprechen

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Bild: Evangelische Zeitung

In der evangelischen Kirche vollzieht sich ein bedeutsamer Wandel: die Abkehr von defizitären Vorstellungen vom älteren Menschen. Immer mehr Initiativen bilden sich, in denen Menschen jenseits der Pensionsgrenze neue Möglichkeiten der eigenen Gestaltung ihres Lebens auch in der Kirche reklamieren. Rein betreuende und „betüddelnde“ Formen in der Seniorenarbeit stehen vor dem Aus.

Noch nie hat es eine so lebendige, interessierte und aktive Älterengeneration wie heute gegeben. Für die Kirche ist dies ein großes Geschenk.

Und was es da nun nicht alles gibt: Trommeln, Radfahren, sogar: Kraftsport für Frauen – Theaterprojekte. In Gospelchören finden sich Junge und Ältere begeistert zusammen – singend.

Evangelische Einrichtungen bauen neue integrative Wohnprojekte auf. Immer weiter um sich greifen Modellprojekte des intergenerationellen Lernens „IGELE“, in denen Alte und Junge gemeinsam miteinander Projekte anschieben. Andere Projekte, wie z. B. das Vorhaben „Kulturführerschein“ in Düsseldorf, bieten spezifische Qualifizierungsmöglichkeiten für Senioren und Seniorinnen im Bereich von Kultur, Oper und Kunst. Ein gemeinsames Theatervorhaben von Hauptschule und Kirche in Nürnberg mit dem Titel „Generationen Playback“ entwickelt Projekte, in denen Senioren aus Kirchengemeinden Schülern Geschichten aus ihrem Leben erzählen, die die Jugendlichen dann in Theaterszenen nachspielen und schließlich vor einem Publikum aufführen.

Unterstützt wird dieser Wandel durch Seniorentrainer. An insgesamt 35 Standorten in Deutschland wurden viele hundert von ihnen ausgebildet, um Kompetenz und Erfahrungswissen an Menschen jeden Alters weiterzugeben. Sie entwickeln Projekte, unterstützen neue Projektvorhaben und tauschen sich mit Menschen aus, die neue Herausforderungen suchen. Sie unterstützen auch gemeinnützige Initiativen und Organisationen. Und viele Landeskirchen entwickeln neue Strukturen.

Das Evangelische Zentrum für innovative Seniorenarbeit in der Evangelischen Kirche im Rheinland bietet ein Forum für interdisziplinäre Zusammenarbeit im Austausch von Akteuren in der Seniorenarbeit mit dem Ziel, selbstorganisiertes Lernen, Selbstorganisation und Selbsthilfe zu ermöglichen. Kirchengemeinden, die sich diesen neuen Gruppierungen und Themen öffnen wollen, finden hier breite Unterstützung. Was hier geschieht, wird noch immer weiter um sich greifen. Das immer längere Leben und insbesondere die Herausbildung einer neuen aktiven Lebensphase zwischen sechzig und achtzig Jahren, in der man noch alles Mögliche unternehmen kann und sich noch lange nicht alt fühlt, verändert auch die kirchliche Arbeit. Denn die Kirche ist zutiefst auf die Mitwirkung und breite Unterstützung der Älteren angewiesen. Viele Aktivitäten in der Kirche gäbe es gar nicht, wenn sich nicht Ältere engagierten. Für sie ist die Kirche zudem der wichtigste Engagementbereich überhaupt und bietet hervorragende Plattformen, um sich auch sonst in der Gesellschaft bürgerschaftlich einzusetzen.

Dieses Engagement der Älteren hat sich in den letzten Jahren auch noch erheblich ausgeweitet. Noch nie hat es eine so lebendige, interessierte und aktive Älterengeneration wie heute gegeben. Für die Kirche ist dies ein großes Geschenk.

Die EKD hat diese Entwicklung in einer Denkschrift mit dem schönen Titel „Im Alter neu werden können“ vorangetrieben. Sie weist darauf hin, dass es auch im Alter viele Möglichkeiten gibt, geistlich, aber auch ganz real neu werden zu können. „In Gottes Gegenwart können Menschen trotz allem, was war und was ist, immer wieder neu werden. Diese Perspektive des Neuanfangs drängt quasi nach außen in die Gestaltung der Lebensverhältnisse. Weil auch im Alter stets Neues möglich ist, hat das Alter schöpferische Potenziale, die allen zugutekommen können. Die mögliche Entfaltung dieser kreativen Potenziale sollte durch die Lebensbedingungen der Älteren unterstützt werden.“ Und auch der Sechste Altenbericht der Bundesregierung betont, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften ältere Menschen nicht mehr als vornehmlich unterstützungsbedürftig ansehen sollte, sondern den vielfältigen Lebensstilen und Erwartungen älterer Menschen Rechnung tragen und auf Kompetenz und die Entwicklung ihrer Potenziale setzen sollten.

Es ist unverständlich, wieso es nach wie vor Altersgrenzen für ehrenamtliche Betätigung in kirchlichen oder diakonischen Gremien gibt.

Man kann zudem belegen, dass sich die spirituellen Bedürfnisse der Älteren geändert haben. Noch bis in das höhere Alter hinein spielt die Nähe des Todes keine Hauptrolle. Spirituelle Erfahrungen werden vielmehr mit positiven Erlebnissen im Leben verbunden. Die Vorstellung, noch etwas Neues beginnen zu können, verbindet sich mit dem Glauben an einen ermutigenden und unterstützenden Gott, mit dem man sich gemeinsam auf den Weg machen kann. Alt ist man in dieser Selbstwahrnehmung der Älteren ohnehin erst etwa um die achtzig, erst dann, wenn man sich als unterstützungsbedürftig empfindet. Vorher aber soll noch viel passieren.

Will man diese neuen älteren Menschen gewinnen, so wird es sich nahelegen, sie überhaupt nicht mehr als „die Älteren“ oder als „die Senioren“ anzusprechen, sondern ein allgemein interessantes Angebot für Erwachsene zu entwickeln. Das Lebensalter sagt allein immer weniger über einen Menschen aus und die Sensibilität für Altersdiskriminierungen steigt. So ist es vollkommen unverständlich, wieso es nach wie vor Altersgrenzen um die 65 oder 67 Jahre für ehrenamtliche Betätigung in kirchlichen oder diakonischen Gremien gibt. Fitness und Leistungsfähigkeit sind keine Frage des Lebensalters.

Ältere sind „Experten für das Leben“. Sie leisten viel für die Gesellschaft und viele sind bereit, noch mehr zu tun, gerade in der Kirche. Es kommt darauf an, sie bei ihren Interessen anzusprechen und sie mit ihren Fähigkeiten einzubeziehen. Sie werden die Kirche verändern – zum Positiven! Und ganz im Gegensatz zu vielen Schrumpfungsprogonosen kann man sagen: Die Kirche wird mit den Älteren wachsen!

Von Prof. Dr. Gerhard Wegner ist Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland; er war Mitglied der Regierungskommission für den „6. Altenbericht“ (2010) (aus: Evangelische Zeitung)

Zur Denkschrift des Rates der EKD: Im Alter neu werden können. Evangelische Perspektiven für Individuum, Gesellschaft und Kirche

Biblische Altersbilder

Bibel
Bild: Romy2004/pixelio.de

Biblische Aussagen über das Alter sind so vielfältig wie das Alter und ältere Menschen selbst. Alt zu werden, wird in der Bibel als ein Segen bezeichnet. Auch in den biblischen Geschichten sterben die einen alt und lebenssatt, die anderen viel zu früh. Manche Texte beschreiben die Mühsal des Alters, andere die schönen Seiten. Diese Vielfalt kann anregen, sich ein eigenes Bild zu machen.

zu den biblischen Altersbildern

Senioren im Internet
UnsereZeiten

UnsereZeiten - 59plus evangelisch: das Internetportal für Ältere zum Lesen, Schreiben, Stöbern und Austauschen 

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Altersgefühl der Generation 50 Plus fordert die Kirche heraus

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Ältere Frauen und Männer auf einer Bank. Bild: photocase

„Alt ist man ab 80 Jahren“, hört Karola Schmidt, Referentin für die Arbeit mit Älteren im Haus kirchlicher Dienste immer wieder.

Die Generation 50 Plus definiert das neue Altersgefühl treffender. Mit 50 Jahren fühlten sich die Menschen noch sehr weit davon entfernt, alt zu sein. Häufig verbinden sie Krankheit, Abschied und das Lebensende mit dem Begriff, erklärt Schmidt die generationstypische Haltung.
Dennoch engagierten sich viele von ihnen ehrenamtlich und viele setzten sich in dieser Lebensphase zunehmend mit spirituellen Fragestellungen auseinander. Der Trend zum Pilgern oder Auszeiten in Klöstern seien ein sichtbares Zeichen dieser Entwicklung.
Die Generation der jungen Alten berge ein großes Potenzial für die Kirche, das aber gleichzeitig eine Herausforderung für sie darstelle, sagt Schmidt weiter. Diese Generation setze sich sehr genau damit auseinander, wie und was sie glauben solle und wo und wie sie sich engagieren wolle.
Das stelle die Kirche vor Aufgaben. „Kirche muss diesen Menschen etwas anbieten, um auf dem großen Feld des Ehrenamts konkurrieren zu können“, fordert Schmidt. Sie müsse Menschen der 68-Generation ansprechen, die sich seinerzeit möglicherweise von der Kirche entfernt hätten. Dann stelle sich die Frage, ob diese Menschen wieder zu gewinnen seien oder ob sie sich schon zu weit entfernt hätten und sich nicht mehr gewinnen ließen.
Um Menschen für die ehrenamtliche Arbeit in der Kirche zu gewinnen, müsse eine Motivation nicht über ihr Alter und die damit verbundene Lebens- und Berufserfahrung erfolgen, sondern über die Interessen, sagt Schmidt. Eine Chance, sie für das kirchliche Ehrenamt zu begeistern, liege darin, ihnen Möglichkeiten und Räume zu bieten, in denen sie ihre Interessen einbringen könnten und bei der sie ihre Sinnsuche ein Stück weit befriedigen könnten, denn das Feld ehrenamtlicher Tätigkeit sei sehr groß.
Dennoch engagierten sich gerade die jungen Alten in besonderem Maße in der ehrenamtlichen Arbeit. So liege das Durchschnittsalter der gerade gewählten Kirchenvorstände bei gut 50 Jahren. Das Plus der Kirche sei es, größtmögliche Entfaltungsräume bieten zu können, einen Spielraum zu bieten, um dem Gemeinwohl Gutes zu tun, fügt die Referentin hinzu. Diese gemeinwohlorientierten Aspekte böten eine große Chance, denn auf diese Weise könnten Menschen, gerade im ländlichen Raum, ihr eigenes Umfeld positiv gestalten, ihren Wohnort verbessern und dabei das Gefühl erhalten: „Ich lebe dort und freue mich auch, anderen und mir Gutes getan zu haben“. 

Von Anja Reuper (Evangelische Zeitung)

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