Startseite Archiv Nachricht vom 12. November 2021

Ethikrat fordert Prüfung von Corona-Impfpflicht

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Berlin. In Deutschland werden die Rufe nach einer Impfpflicht
zumindest für bestimmte Berufsgruppen lauter. Am Donnerstag sprach
sich der Deutsche Ethikrat angesichts der steigenden Corona-Zahlen
für eine rasche Prüfung einer berufsbezogenen Impfpflicht aus.
Beschäftigte, die schwer oder chronisch kranke sowie hochbetagte
Menschen versorgen sowie Mitarbeitende des Sozialdienstes, der
Alltagsbegleitung oder der Hauswirtschaft «tragen eine besondere
Verantwortung dafür, die ihnen Anvertrauten nicht zu schädigen»,
heißt es in einer Ad-hoc-Stellungnahme des Wissenschaftlergremiums.

Auch in den Verbänden ändert sich die Haltung. Für die Deutsche
Krankenhausgesellschaft und die Caritas ist eine Impfpflicht
inzwischen vorstellbar.

Der Ethikrat erklärte weiter, eine mögliche Impfpflicht müsste für
Institutionen und Einrichtungen gelten, die dafür verantwortlich
sind, die dort versorgten Menschen keinen vermeidbaren
gesundheitlichen Gefahren auszusetzen. Die evangelische Theologin
Petra Bahr, Mitglied im Ethikrat, erläuterte, es gehe zum Beispiel
neben Pflegeheimen auch um Kindergärten und Grundschulen, solange
Kinder sich nicht impfen lassen können.

Der Ethikrat empfiehlt der Bundesregierung, «unverzüglich eine
hinreichend differenzierte gesetzliche Regelung für eine
berufsbezogene Impfpflicht zu prüfen». Bahr sieht darin die
eigentliche Herausforderung. Impfen sei eine moralische
Verpflichtung, sagte die hannoversche Regionalbischöfin dem
Evangelischen Pressedienst (epd). Eine rechtliche Pflicht sei etwas
anderes.

Dennoch ist Bahr dafür. Hintergrund der Vorsicht vor einer
Impfpflicht in Deutschland sei ein Freiheitsverständnis, das allein
vom Individuum ausgehe «und so tut, als wären Gemeinschaftspflichten
nachrangig», sagte sie. «Individuelle Freiheit kann aber nie so weit
gehen, dass Schwächere, die keine Ausweichräume haben, dadurch
potenziell stark geschädigt werden», ergänzte die Theologin. Ob die
Politik das Thema angeht, ist noch offen. Im Bundestag, wo am
Donnerstag die Corona-Pläne der möglichen Ampel-Koalition - bislang
ohne Impfpflicht - diskutiert wurden, sagte die Fraktionsvorsitzende
der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, man könne sich der Debatte nicht
entziehen.

Für die Prüfung einer Impfpflicht plädiert inzwischen auch die
Deutsche Krankenhausgesellschaft. «Die Pandemielage erlaubt unnötige
Verzögerungen nicht mehr», sagte der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß
dem epd. Auch die Caritas änderte ihre Meinung. «Wenn wir nicht bald
deutlich höhere Impf-Zahlen in der Bevölkerung und unter den
Pflegekräften haben, werden wir uns für eine Impfpflicht für
medizinisch-pflegerisches Personal auf der Grundlage des
Infektionsschutzgesetzes aussprechen müssen», sagte die Präsidentin
des katholischen Verbands, Eva Welskopp-Deffaa, dem epd.

Zur in der Diskussion um eine Impfpflicht geäußerten Sorge vor
einer weiteren Flucht von Pflegefachkräften aus dem Job erklärte der
Ethikrat, dies müsse berücksichtigt werden, sei aber «im Rahmen der
Schutzpflichten gegenüber Menschen aus Hochrisikogruppen zu
bewerten». Bahr sagte, in vielen europäischen Ländern sei die
Impfpflicht für Berufe mit Kontakt zu besonders gefährdeten Gruppen
längst eingeführt. «Die Sorge vor Kündigungswellen in einem Bereich
mit großem Fachkräftemangel hat sich nicht bestätigt», sagte sie.

Als «Pflicht» bezeichnete unterdessen auch die frisch gewählte
neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),
Annette Kurschus, eine Impfung gegen Corona. Sie halte es für wichtig
und auch für eine Aufgabe vom christlichen Auftrag her, dass sich
Menschen impfen lassen, wenn nicht etwa eine Krankheit dagegen
spricht, sagte sie in den ARD-«Tagesthemen». «Das halte ich nicht für
eine individuelle Entscheidung, bei der ich 'so oder so' sagen kann»,
ergänzte Kurschus

epd