Startseite Archiv Nachricht vom 05. November 2019

Fortbildung für Diakone und Diakoninnen in Barcelona

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Hannover/Barcelona. „Frei-(T)räume – eine berufliche Entdeckungsreise im fremden Land“ unter diesem Titel waren 16 Diakon*innen für eine Woche unterwegs in Barcelona.

Nach langer Berufserfahrung innehalten und die künftigen Jahre im Beruf oder im Ruhestand in den Blick nehmen, sich mit Kollegen und Kolleginnen darüber austauschen und neue Ideen gewinnen – das geht natürlich auch in Loccum oder Hermannsburg. Sich jedoch auf die Reise begeben in ein fremdes Land mit anderer Sprache und ungewohnter Kultur, das gibt dem Unternehmen eine völlig andere Inspiration.

Kerstin Dede, die Beauftragte für Diakone und Diakoninnen, und Sabine Rösner, Personalberaterin der Landeskirche Hannovers, gaben der Fortbildung den Rahmen eines Reiseführers, den die Teilnehmenden jeweils individuell für sich gestaltet haben.

So stand jeder Tag unter einem Motto, das zur Erkundung der Stadt Barcelona genutzt werden konnte und gleichzeitig die eigene Berufserfahrung reflektiert und vertieft hat.

„Die ewigen Baustellen, Lieblingsorte und Oasen“ gibt es nicht nur in der Großstadt Barcelona, sondern auch im Diakonenberuf. Die ewige Baustelle Jugendarbeit weiterbearbeiten oder ein neues Arbeitsfeld erschließen? Welche beruflichen Veränderungsmöglichkeiten gibt es überhaupt für Diakoninnen und Diakone? Wie sehen Oasen im Alltag aus? Wie gehen Kollegen damit um? Mit diesem Themenbereich startete die Entdeckungsreise.

Der Sonntag fand mit „dem Himmel so nah“ sein Tagesmotto und begann mit dem Besuch eines Familiengottesdienstes in der deutschen evangelischen Gemeinde in Barcelona.

Was ist uns selbst eigentlich heilig? Und wie gestalten wir das Heilige? Gedichte und Geschichten unter der südlichen Sonne im Palmengarten der Casa Espiridualitat Sant Felip Neri (dem Tagungsquartier) schreiben – da fühlt sich der Himmel wirklich sehr nah an.

„Planvoll im Gassenlabyrinth“:  Erkundungen im Liniennetz – ganz real mit Bus oder Metro, Seilbahn oder Stadtbahn und zu Fuß unterwegs sein und dabei die bisherigen und möglicherweise nächsten beruflichen Stationen wie einen städtischen Linien-Netzplan aufzeichnen. Haltestellen und Umsteigepunkte gewinnen neue Bedeutung und weiten den Blick. Ist der absehbare Ruhestand für mich Endstation oder wechsle ich nur das Verkehrsmittel? Wie lange gilt meine Fahrkarte noch und wie geht es dann weiter? Und wenn abends 16 Personen von ihren Routen in der Stadt berichten, dann scheint an diesem Tag die gesamte Stadt in der Länge und der Breite und sogar in der Höhe erkundet worden zu sein. Die Kommentare dazu reichen von: „Wir sind heute mehr als 16 500 Schritte zu Fuß gegangen“ bis zu „Ich hätte nie gedacht, dass mir durch die Tagesimpulse bei der Stadtbesichtigung so viel über meine Arbeit bewusst wird und dass das so tiefgehende Gedanken und Gefühle auslöst. Gut, dass wir uns hinterher noch darüber in der Gruppe austauschen!“

Weiter ging es in den vielen Markthallen Barcelonas. Dort werden die angebotenen Waren beeindruckend präsentiert und beim Begutachten kommen Fragen über die eigene Praxis auf. Wie präsentieren wir eigentlich unsere Angebote? Sind meine Veranstaltungen noch gefragt? Werbe ich noch zeitgemäß? Und wie machen es denn die Anderen? Was spricht mich eigentlich selbst an – in der bunten Vielfalt der Markthalle vom frischen Fisch über riesige Schinken bis zu Süßigkeiten mit schreiend bunter Glasur. Und welche Verbindungslinien sehen wir zu unseren Gemeindebriefen und Websites und selbstgebastelten Flyern?

Wollen wir am liebsten auch so überlaufen sein wie die zentrale Markthalle an der Rambla, die von Touristen überflutet wird oder sehen wir uns wie die gut sortierte, ruhige Markthalle im Stadtteil, die alle Lebensmittel für den täglichen Bedarf der Familien anbietet und dazu noch einen Plausch beim Cafe con leche.

Und wie kaufe ich eigentlich ein, wenn ich die Sprache weder verstehen kann noch spreche? Bekomme ich dann, was ich will? Der Markthallen-Besuch ließ die Gedanken wandern zur kirchlichen Sprache und ihren Besonderheiten. Wie verständlich und ansprechend sind denn unsere Angebote in den Gemeinden, Beratungs- und Bildungsstätte, im Krankenhaus und in der Jugendarbeit, wo wir als Diakon*innen unseren Dienst tun?

„Ich bin mir selbst hier oft so fremd“, formuliert das ein Teilnehmer, „aber das ist auch gut so, da kann ich mal richtig mit Abstand auf das blicken, was ich im Alltag so mache. Mir fallen hier Sachen auf, die ich zu Hause nie bemerkt hätte.“

Kunst und Kultur, Kreativität und die Lebendigkeit der Bauten von Antoni Gaudi bekamen einen ganzen Tag besondere Aufmerksamkeit.  Ein Gespräch mit Pastor Holger Lübs von der deutschsprachigen Gemeinde zeigte, wie anders Kirchengemeinde am anderen Ort sein kann. Die Martin-Luther-Gemeinde Barcelona finanziert sich mit 500 Gemeindegliedern weitgehend selbst und muss kreativ werden. Sie ist ein Treffpunkt für Deutsche im Umfeld Barcelonas, die den Sonntagsgottesdienst gerne bis zum Nachmittag beim Aperetivo ausklingen lassen. Auch hier gilt: Andere Länder, andere Sitten.

„Autonomie und Abhängigkeit“ ist das große Thema der Katalanen. Die großen Demos in der Innenstadt waren für die Tage in der Fortbildung keine Einschränkung, ihr Thema bekam jedoch Raum. Mit Blick auf die Rückkehr in den Berufsalltag konnten eigene Abhängigkeit und Bedürfnisse nach mehr Autonomie in den Blick genommen werden.

Nicht nur die persönlichen Reiseführer waren nach der Fortbildung prall gefüllt mit Ideen, Bildern und Eindrücken. Das Resümee in der Auswertung fiel eindeutig aus: Die Reise hat sich mehr als gelohnt. Gerade der Effekt der Fremde und die Verbindung zum Erleben in und mit der Stadt Barcelona hat nicht nur Freiräume eröffnet, sondern auch eine gute Energie und viele konkrete Impulse für die eigenen beruflichen Situationen. Dazu kam die Form der Tagung, in der Gruppe von Berufskolleg*innen gemeinsam und zwischendurch bewusst auch allein unterwegs zu sein. Alle Teilnehmenden waren sich einig: das war ein großes Glück, einen Platz in dieser begehrten Fortbildung zu haben.

Die beiden Tagungsleiterinnen haben lange vorbereitet. Für Kerstin Dede gehört dieses Angebot in eine längere Reihe von Seminaren für Diakon*innen in den letzten Berufsjahren, die sie speziell für diese Berufsgruppe und diese Berufsphase entwickelt hat. „Es werden jährlich bis zum Jahr 2037 durchschnittlich 20 Diakon*innen in den Ruhestand gehen,“ weiß die Beauftragte für Diakone und Diakoninnen. „Um neuen Schwung und Energie für die letzten Berufsjahre zu gewinnen, ist es sinnvoll Angebote vorzuhalten, die diese Berufsphase ins Zentrum stellen. Das Jahr unter dem Motto „Zeit für Freiräume“ hat mich angeregt, den Aspekt der Fremdheit zu nutzen und den Kurs in einem spanischen Tagungshaus in Barcelona stattfinden zu lassen. In dem Zusammenhang bin ich in diesem Jahr auf Sabine Rösner als Diakonin und Personalberaterin zugegangen ob sie einer Kooperation etwas abgewinnen kann.“

Vom Ergebnis der Tagung sind beide nahezu überwältigt: “Wir hatten uns bei der Vorbereitung vorgestellt, dass es eine gute Inspiration sein könnte, die eigene Professionalität in einer ganz fremden Umgebung zu reflektieren. Aber dass die Wirkung so intensiv und vermutlich auch nachhaltig sein wird, überrascht und erfreut uns sehr,“ sagt Kerstin Dede am Ende des Seminars. Sabine Rösner ergänzt:“ Das war die erste Kooperation der Arbeitsstelle Personalberatung mit der Beauftragten für Diakone und Diakoninnen. Ich bin sehr bewegt von den Rückmeldungen der Teilnehmenden, die neben vielen anderen Aspekten auch herausgestellt haben, wie wichtig und wertvoll ihnen zu diesem Thema die Arbeit in und mit der eigenen Berufsgruppe war. Im Diakonenalltag geht es so oft um den eigenen Standort im Gegenüber zu anderen Mitarbeitenden und Pastor*innen. Das Seminar wurde es als ein Ort erlebt, der es möglich machte, aus den Ressourcen der eigenen Person und der eigenen Berufsgruppe zu schöpfen. Das werden wir für weitere Planungen im Auge behalten. Zunächst sind wir beide als Leitungsteam jedoch erst einmal sehr glücklich über diese wertvollen Tage in Barcelona.“

Kerstin Dierolf, Diakonin und Öffentlichkeitsbeauftragte im Kirchenkreis Verden