Startseite Archiv Nachricht vom 30. Juli 2018

Mit der Rikscha auf Stadtreise gehen

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Hannover. Pastorin Kerstin Häusler bremst sanft und das weiße schnittige Gefährt kommt vor dem Gemeindehaus der St. Martinskirche langsam zum Stehen. Helga Ribinski strahlt. „Es war einfach wunderschön, einmal um den Maschsee zu fahren“, sagt sie und lehnt sich noch einmal gemütlich in den gepolsterten Rücksitz hinein. Pastorin Häusler hatte der 83-Jährigen, die seit Jahrzehnten in der Gemeinde aktiv ist, zum Geburtstag eine Rikschafahrt geschenkt. Und es sollte der Maschsee sein, mit dem Ribinski viele schöne Erinnerungen verbindet und den sie aufgrund von Gehproblemen seit zehn Jahren nicht mehr besuchen geschweige denn umrunden konnte.

Vor einem Jahr erwarb die Gemeinde eine Fahrradrikscha und kann nun besonders älteren und  mobilitätseingeschränkten Menschen ein besonderes Angebot machen. Als „Gemeinsam-Mobil“ soll es Menschen generationenübergreifend verbinden, außerdem sei es „ein Beitrag zu nachhaltiger Mobilität, mit dem die Gemeinde auch Präsenz im Stadtteil Linden zeigen kann“, sagt Projektinitiatorin Magdalena Kern. Sie hatte sich von der dänischen Initiative „Radeln ohne Alter“ inspirieren lassen, bei dem besonders demenzerkrankten Menschen durch eine Rikschafahrt  wieder mehr Teilhabe am Leben ermöglicht werden soll. Das können wir hier doch auch, dachte sich die 32-jährige  Kommunikationswissenschaftlerin und gewann ihre Gemeindepastorin für das Projekt. Auch der Kirchenvorstand ließ sich schnell überzeugen, es fand sich schließlich eine gute gebrauchte Fahrradrikscha, die nun ihren Stellplatz vor dem Gemeindehaus hat.

Stehen soll das „Gemeinsam-Mobil“ allerdings nicht und so begann das Projektteam mit der Werbung für seine ungewöhnliche Idee. Nach einem Rikscha-Vorstellungsgottesdienst und bei einem Gemeindefest durften die ersten Neugierigen Proberunden fahren. Während eines Stadtteilfestes bot die Gemeinde Speed-Dating in der Rikscha an: Dabei nahmen spontan zwei Festbesucher auf der Rückbank Platz, um sich bei einer kurzen Fahrt kennenzulernen. „Der Kommunikationsaspekt wird bei uns großgeschrieben“, erzählen Häusler und Kern. Der Fahrer und sein Gast könnten sich während der Fahrt gut  miteinander unterhalten.

Die Rikscha ist überdacht, und sie habe eine ausgezeichnete „Gesprächsakustik“, betont Häusler. Unterhaltungen seien in der Rikscha möglich, von außen aber höre man kaum etwas von dem Gesprochenen. Sie selbst habe die Rikscha sogar schon mal für ein seelsorgerliches Gespräch genutzt. Das mit einem kleinen Elektromotor ausgestattete Gefährt soll aber nicht nur älteren Menschen mehr Mobilität und Teilhabe ermöglichen, auch ein Brautpaar ließ sich damit schon zur Kirche kutschieren.

Mittlerweile gibt es ein kleines ehrenamtliches Fahrerteam, das jedoch noch erweiterungsfähig ist. St. Martin sei zwar die treibende Kraft bei dem Projekt gewesen, berichten Häusler und Kern, an der Finanzierung hätten sich jedoch auch die beiden Kirchengemeinden Linden Nord und Linden Süd beteiligt. Auch über die Region Linden-Limmer hinaus könne die Rikscha zum Einsatz kommen, sagt Häusler. Weitere hannoversche Gemeinden könnten sie ausleihen und eine Mitarbeit in dem Projekt sei auch nicht an eine Kirchenmitgliedschaft gebunden, fügt die Pastorin hinzu.

Ein Test zeigt: Das Rikschafahren lässt sich schnell erlernen, auch wenn Antritt, Steuerung und Kurvenlage sich deutlich vom normalen Fahrradfahren unterscheiden. „Wir schulen interessierte Fahrer gerne“, sagt Häusler lächelnd. Auch wenn sich die Kirchengemeinde über eine Spende freut, bietet sie die Rikschafahrt für private Zwecke kostenlos an. „Wir wünschen uns, dass die Rikscha genutzt und im Stadtteil noch bekannter wird“, sagt Häusler.

Sabine Dörfel/Stadtkirchenverband