Startseite Archiv Nachricht vom 28. Juli 2018

Eine Streuobstwiese für den "summenden Gottesdienst"

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Aerzen/Kr. Hameln-Pyrmont. Die Idee eines Gottesdienstes, in dem auch Insekten mit ihrem Schwirren, Summen und Brummen für Musik sorgen, treibt Pastor Christof Vetter schon seit längerem um. Jetzt legt der evangelische Theologe mit seiner Kirchengemeinde in Aerzen bei Hameln eine Wildblumen- und Streuobstwiese an, um diesen Traum wahr werden zu lassen. Auf einem rund 2.000 Quadratmeter großen Areal in Kirchenbesitz leistet die Gemeinde damit ganz nebenbei einen wichtigen Beitrag gegen das Insektensterben, sagt der Pastor: "Auf der Wiese lässt sich künftig die Schöpfung erleben - und dass wir Menschen eben nur ein Teil davon sind." Streuobstwiesen gelten als "Hotspots der biologischen Vielfalt". Etwa 300.000 bis 400.000 Hektar gibt es dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zufolge bundesweit.

Die Wiesen sind eine Art Gegenentwurf zum intensiven Obstanbau. Sie zeichnen sich durch ihre Vielfalt aus, sagt ein Nabu-Sprecher: Rund 3.000 verschiedenen Obstsorten gedeihen dort in ganz Deutschland. Darunter finden sich auch zahlreiche alte und regionale Apfelsorten. "Zusätzlich sind die Flächen Lebensraum für viele teils bedrohte Tier- und Pflanzenarten."

Die Gemeinde Aerzen hat ihre Wiese inzwischen beim Streuobstprojekt des Nabu angemeldet, um von dort finanzielle und fachliche Unterstützung zu erhalten. Die Initiatoren hoffen im kommenden Jahr zumindest schon auf Blütenpracht.

Bis es soweit kommt, sind aber noch viele Vorbereitungen und die Hilfe der Natur nötig, sagt der Kirchenvorstandsvorsitzende, Ullrich Händchen. Im Herbst werde gespendetes Saatgut "für bunte Meter" auf dem Gelände verteilt, das Frost zum Keimen benötige. Langfristig sollen möglichst mit finanzieller Hilfe aus der Kirchengemeinde hochstämmige Obstbäume gepflanzt werden. Pastor Vetter will zum Beispiel in Taufgottesdiensten für das Projekt werben.

Alle Beteiligten sind über die positive Resonanz im Ort gleichermaßen erfreut und überrascht. "Man kann eigentlich schon sagen, dass es hier im Ort recht konservativ zugeht und der Vorgarten nicht nur am Pfarrhaus gepflegt zu sein hat", sagt Vetter mit einem Augenzwinkern. Ullrich Händchen wird da noch deutlicher: "In den Köpfen vieler Menschen gerade auf dem Land ist die Natur immer noch der Feind Nummer eins, der in Schach gehalten werden muss." Doch das Projekt, für das beide auch bei Vorträgen und Gemeindenachmittagen geworben haben, stößt auf großes Interesse. Es findet bereits private Nachahmer, die nun im eigenen Garten ebenfalls für mehr Blütenpracht sorgen.

Mit der Umgestaltung ihrer Wiese leistet die Gemeinde auch einen Beitrag zum "Jahr der Freiräume" der hannoverschen Landeskirche, sagt Vetter. Für das Jahr 2019 ermutigt die größte evangelische Landeskirche Deutschlands ihre Gemeinden dazu, unter dem Motto "... um des Menschen Willen" nicht bloß Routine abzuarbeiten, sondern sich kreativ Freiräume zu erschließen. Eine grüne Wiese, die zu einem Blütenmeer und später zu einem Obstlieferant werde, sei ein solcher Freiraum: "Wir erschließen uns blühende Ästhetik und betreiben Artenschutz." Und dann plant der umtriebige Pastor bereits seinen ganz besonderen Gottesdienst auf der neuen Streuobstwiese. Mit Posaunenchor und dem Schwirren, Summen und Brummen vielerlei Insekten.

epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen