Startseite Archiv Nachricht vom 08. Februar 2018

Studie: Armutsrisiko von Familien größer als gedacht

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Gütersloh. Das Armutsrisiko von Familien ist laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung größer als bisher angenommen. Besonders drastisch sei die Situation für alleinerziehende Eltern, erklärte die Stiftung am Mittwoch in Gütersloh. Mit einer neu entwickelten Methodik hätten Bochumer Wissenschaftler im Auftrag der Stiftung für diese Gruppe eine Risikoquote von 68 Prozent errechnet. Das waren über 20 Prozentpunkte mehr als in früheren Untersuchungen, wie es hieß.

Bei Paaren mit Kindern liegt das Armutsrisiko der Bertelsmann-Studie zufolge um knapp drei Prozentpunkte über früher ermittelten Werten. So seien etwa 13 Prozent der Paare mit einem Kind armutsgefährdet, bei Paaren mit drei Kindern liege die Quote bei 18 Prozent.

Die neue, an der Ruhr-Universität Bochum entwickelte Rechenmethode soll nach Angaben der Stiftung «einen realistischeren Blick auf die Einkommenssituation von Familien ermöglichen». Bisher seien die Einkommen armer Haushalte durch die Anwendung der sogenannten OECD-Skala systematisch überschätzt und jener reicher Familien unterschätzt worden, hieß es. Leitende Autoren der Studie sind die Professorin für Sozialpolitik Notburga Ott und der Sozialökonom Martin Werding.

Die Untersuchung zeigt den Angaben zufolge zudem, dass in den vergangenen 25 Jahren Paare mit Kindern oder Alleinerziehende im Durchschnitt finanziell stets schlechter gestellt waren als kinderlose Paare. «Mit jedem zusätzlichen Kind wird die finanzielle Lage von Familien schwieriger», erklärte Jörg Dräger vom Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Die Einkommensschere zwischen wohlhabenden und armen Familien sei in diesem Zeitraum weiter aufgegangen.

Nur Familien, die ihre Erwerbstätigkeit ausbauen konnten, hätten ihre Einkommenssituation halten oder verbessern können, hieß es weiter. In der Regel seien die Mütter im größeren Umfang als zuvor berufstätig gewesen. Entscheidend hierfür sei der Ausbau der Kindertagesbetreuung gewesen. Dagegen hätten Kindergelderhöhungen die Situation von Familien mit Kindern nicht nachhaltig verbessert.

epd

Zitat von Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

"Es ist ein Skandal, dass die Einkommensschere zwischen wohlhabenden und armen Familien in Deutschland in den letzten 25 Jahren immer weiter aufgegangen ist.

Das Risiko in Armut zu leben, ist nach den Ergebnissen der Studie für kinderreiche Familien und Alleinerziehende noch größer als bisher gedacht.

Wir unterstützen den Appell der Studie, die bisherigen Instrumente der Familienpolitik neu zu denken. Um diese Ungerechtigkeit endlich auszugleichen, fordern wir einen Grundbetrag pro Kind. Wer daneben noch Wohngeld oder weitere ergänzende Hilfen, zum Beispiel für Schulmaterial, Mobilität oder Freizeit und Kultur braucht, soll diese bekommen - einfach, unbürokratisch und in Höhe der tatsächlichen Kosten. Dazu muss die Politik ihr Versprechen einlösen, die Rahmenbedingungen für familienfreundliche Erwerbstätigkeit zu verbessern."