Startseite Archiv Nachricht vom 17. Oktober 2017

Evangelische Identität in säkularem Umfeld

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Wien. Im Jahr des Reformations-jubiläums lud der Evangelische Bund in Deutschland in Kooperation mit dem Evangelischen Bund Österreich vom 5. bis 7. Oktober zur 109. Generalversammlung nach Wien ein. Im Mittelpunkt der Tagung stand die Frage nach evangelischer Identität in einem zunehmend säkularen Umfeld. In Vorträgen und Workshops setzten sich namhafte Theologen aus verschiedenen Perspektiven mit dem Tagungsthema auseinander.

Prof. Dr. Ulrich Körtner vom Institut für Systematische Theologie und Religionswissenschaft der Universität Wien betonte in seinem Vortrag den Zusammenhang von evangelischer Identität und Kirche. „Verbreitet ist die Überzeugung, man könne auch ohne Kirche ein guter Christ sein oder zumindest ein guter Protestant“, so Körtner. „Doch im Unterschied zu manchen Vertretern eines liberal-kulturprotestantischen Paradigmas bin ich davon überzeugt, dass es evangelischen Glauben auch in Zukunft nicht ohne lebendige Kirche geben kann.“ Es sei einfach nicht wahr, dass die Kirchen sich leeren, aber Religion boomt. Tatsächlich zeige sich, dass die Verbindung zur Religion schwindet, wo die Verbindung zur Kirche abreißt.

Prof. Dr. Gert Pickel vom Institut für Praktische Theologie der Universität Leipzig erläuterte unter anderem die Bedeutung eines säkularen Umfelds für eine evangelische Identität: So erschwere ein säkularer werdendes Umfeld wie auch eine negative Öffentlichkeit den Identitätserhalt. Es bestehe nach wie vor eine hohe Verzahnung von Glaube, der Mitgliedschaft in einer Kirche und der Identität „evangelisch zu sein“, so Pickel. Der Traditionsabbruch christlicher Religiosität werde über die nächsten Generationen weitergehen und die Mitgliedsbestände der Kirchen reduzieren.

Bei der Eröffnungsrede betonte die Präsidentin des Evangelischen Bundes (EB), Prof. Dr. Gury Schneider-Ludorff, die Herausforderungen und Aufgaben der Kirchen im europäischen Raum. In diesem Zusammenhang lobte Schneider-Ludorff die Arbeit des Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim. „Religiöse Bildung und Aufklärung in der Gesellschaft zu stärken und an einer gemeinsamen Weiterentwicklung im ökumenischen Sinne zu arbeiten, diese Aufgabe habe das Institut in den letzten Jahren aufs Beste wahrgenommen.“ Mit dem Institut habe der Evangelische Bund einen Ort geschaffen, der sich zukunftsweisend konsequent europäisch versteht.

Dr. Mareile Lasogga, Direktorin des Konfessionskundlichen Instituts (KI) in Bensheim, zeigte in ihrem Beitrag zum Ökumenischen Lagebericht die ökumenische Bedeutung des Reformationsjubiläums auf. Das Reformationsjubiläum sei als ökumenisches Christusfest, als Konzept eines „Healing of memories“ begangen worden. Sehr eindrücklich habe dies der große Versöhnungsgottesdienst mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Repräsentanten der römisch-katholischen Kirche am 11. März 2017 in Hildesheim und das gemeinsame Wort der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD in Deutschland „Erinnerungen heilen – Jesus Christus bezeugen“ gezeigt. „Es sei erstaunlich und eine kulturelle Leistung, wie viel in den wenigen Jahrzehnten ökumenischen Engagements erreicht worden ist.“ Dennoch bestünden nach wie vor große Differenzen in Fragen des Glaubens und auch der Ethik, die auch zu enttäuschten Erwartungen geführt hätten. „Es wird eine der herausragenden Aufgaben für die Zeit nach dem Reformationsjubiläum werden, die medial eindrücklich vermittelte Nähe der Kirchen auf der Beziehungsebene mit den trennenden und drängenden Divergenzen auf der Sachebene in ein konstruktives Verhältnis zu bringen und das eine für das andere fruchtbar werden zu lassen.“

Daniel Lenski, seit 1. Juli Fachreferent des im KI neu eingerichteten Referats für Anglikanismus und Weltökumene, berichtete unter anderem von der zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Namibia und der Generalversammlung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) in Leipzig. „Insgesamt lässt sich bei den Generalversammlungen dieser Bünde ein immer größer werdendes Gewicht von individual- und sozialethischen Diskussionen ausmachen“, so Lenski. Kontroverse Diskussionspunkte mit beachtlicher Sprengkraft seien unter anderem die Themen „Frauenordination“ und „Sexuelle Vielfalt“. „Was die grundsätzliche Entwicklung in der weltweiten Ökumene betrifft, brauche es eine konfessionskundliche Hermeneutik, die auch den kulturellen, sozio-ökonomischen und politischen Kontext der Konfessionen berücksichtigt.“ Dies könne dazu beitragen, die theologischen und spirituellen Sichtweisen und Bedürfnisse der ökumenischen Gesprächspartner besser zu verstehen und religiös begründeten Simplifikationen und fundamentalistischen Radikalisierungen entgegenwirken.

Nach dem Eröffnungsgottesdienst mit Bischof Dr. Michael Bünker und Pfarrerin Dr. Birgit Lusche wurde Dr. Walter-Fleischmann-Bisten, ehemaliger Generalsekretär des EB und Direktor des KI Bensheim, für seine Verdienste um Österreich mit dem „Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse“ ausgezeichnet. Die Laudatio hielt MinR Ao. Univ.-Prof. Dr. Karl Schwarz, der „die ansteckende und weiterführende Arbeit“ von Fleischmann-Bisten lobte.

Am zweiten Tagungstag beschäftigten sich Kurzvorträge mit Fallstudien zur religiösen und kulturellen Identitätsbildung von

Minderheitenkirchen. Mirjam Sauer von der Universität Jena stellte zur Einführung das Projekt „Theologie der Diaspora“ der Gemeinschaft Europäischer Kirchen in Europa (GEKE) vor. „Christliche Minderheitenkirchen sind vor die Herausforderung gestellt, das eigene, eben christlich-evangelische Profil im Miteinander mit der Gesellschaft, in der sie leben stets neu zu gestalten“, so Sauer. Auch Professor Körtner ging in seinem Vortrag auf die Theologie der Diaspora als eine Gestalt von öffentlicher Theologie ein. Diese könne ein neues ökumenisches Projekt für Europa und eine ökumenische Zeitansage werden, sagte Körtner. „Nicht als Ausdruck des Rückzugs aus der säkularen Welt, sondern im Gegenteil als Ermutigung, sich in diese Welt einzumischen und das Evangelium von der Liebe Gottes, seiner Agape oder Caritas, in Wort und Tat zu bezeugen.“

 

Die Fallstudien beschäftigten sich mit der Ev. Identität in Ungarn nach 1989 (Prof. Dr. Sandor Fazakas, Universität Debrecen) mit der Ev. Identität in Österreich (Mag. Marcus Hütter, Universität Wien) und mit der Ev. Identität in Rumänien (Dr. Elfriede Dörr, Beauftragte für Ökumene und Fort-bildung der Ev. Kirche A.B. in Rumänien).

Zum Abschluss der Konferenz fand das jährliche Forum Junge evangelische Theologie statt. Dr. Emilia Handke von der Universität Marburg hielt einen Vortrag zu Religiösen Jugendfeiern. Elizabeth Morgan-Bukovics sprach über Pfarrgemeindezusammenlegungen in der Evangelischen Kirche in Österreich. Daniel Lenski setzte sich mit der Identität der deutschstämmigen evangelischen Kirchen in Südamerika auseinander.

Zum Ende der Generalversammlung lud der Evangelische Bund Baden zur 110. Generalversammlung nach Heidelberg 2018 ein.

Evangelischer Bund