Startseite Archiv Nachricht vom 09. Oktober 2017

Landtagskandidaten stellen sich Fragen geistig behinderter Menschen

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Hildesheim-Sorsum. Im großen Festsaal neben der Kirche ist es sehr still. Vorne sitzen die LandtagskandidatInnen Ekkehard Domning (Bündnis 90/Die Grünen), Laura Rebuschat (CDU) und Bernd Lynack (SPD) in einer Reihe. Links neben ihnen spricht Marion Tiede, Vorsitzende des Behinderten- und Inklusionsbeirats der Stadt Hildesheim. Die KandidatInnen werden sich hier in der Diakonie Himmelsthür in Sorsum den rund 100 anwesenden Menschen mit Assistenzbedarf kurz vorstellen, dann können Fragen gestellt werden.

Hier und da ist eine rote Karte in den Händen zu sehen, auf der "Stop" steht. "Wenn Sie etwas nicht verstehen oder nicht mehr mitkommen, halten Sie diese bitte hoch", hatte Tiede den ZuhörerInnen bei der Einführung erklärt. Die drei Politiker reden langsam und deutlich, bemüht, sich inhaltlich einfach und verständlich auszudrücken. Das Publikum hört konzentriert zu. Über 500 Menschen mit Assistenzbedarf leben in Hildesheimer Wohnangeboten der Diakonie Himmelsthür, rund 200 von ihnen sind wahlberechtigt.

Die PolitikerInnen präsentieren sich gut vorbereitet auf die Fragen aus dem Publikum. In den Wochen zuvor wurden zwölf Fragen intern gesammelt und vom Bewohnerbeirat vorbereitet. Nun haben einige aus dem Publikum Karten in der Hand, die Frage steht in großer Schrift darauf. Der Reihe nach werden sie vorgelesen, begleitende MitarbeiterInnen assistieren einige Male und halten das Mikrofon, die Politiker beantworten jede Frage reihum.

Die Themen drehen sich um den niedrigen Verdienst für Menschen mit Behinderung in den Werkstätten, ihre Arbeitsmarktchancen und die Betreuung. Sicherheit, Rechtsfragen und Barrierefreiheit werden ebenfalls angesprochen. Vieles betrifft den Alltag, zum Beispiel die Kosten für Busfahrten. Es geht aber auch um Grundsätzliches: "Wie wollen Sie erreichen, dass es mehr Frieden in der Welt gibt?" Oder: "Was wollen Sie zur Inklusion beitragen?" An einigen Stellen merkt man, wie schwierig die Antworten für die Kandidaten sind.

Bei der Frage  "Wie sollte das Betreuungsgesetz geändert werden, damit Menschen mit Behinderung mehr Selbstbestimmung haben?" gibt es im Publikum emotionale Reaktionen: "Oft werden uns bei rechtlicher Betreuung Steine in den Weg gelegt", sagt eine Frau laut. Auch fehlende Schulungen werden bemängelt. Selbständig sein sei sehr wichtig, sagt Rebuschat. Lynack möchte diese Botschaft gerne an die Menschen weitergeben, die in Berlin das Gesetz machen. Domning räumt ein, das Betreuungsgesetz sei ein weites und schwieriges Feld.

Am Ende gibt es viel Applaus, die roten Stop-Karten sind kein einziges Mal im Publikum hochgegangen. Axel Rüstemeyer, der bereits seit 38 Jahren in der Diakonie Himmelsthür wohnt und arbeitet, findet die Veranstaltung sehr gelungen. Vor allem beim Thema Polizei habe er genau hingehört: "Sicherheit ist sehr wichtig", sagt er.

"Die größte Herausforderung war es, die Gedanken barrierefrei zu sortieren", zieht Bernd Lynack als Fazit und lobt die Organisation. Die Fragen waren inhalltich nicht so einfach, bestätigt Ekkehard Domning, der die Vorstellung in der Diakonie Himmelsthür als sehr wichtig ansieht. "Man kommuniziert hier sehr direkt", ist das Resümee Laura Rebuschat. Dietlinde Richter, stellvertretende Regionalgeschäftsführerin der Diakonie Himmelsthür, betont, dass bei vielen politischen Entscheidungen die Perspektive der Menschen mit Unterstützungsbedarf fehle und dass diese Veranstaltung dazu beitragen solle, PolitikerInnen für die Belange evangelischer Behindertenhilfe zu sensibilisieren.

Florian Aue