Von Karen Miether (epd)
Zu Weihnachten ein Päckchen - für Gefangene in den Justizvollzugsanstalten ist das etwas Besonderes. Seit 60 Jahren sorgen Ehrenamtliche auf Initiative der christlichen Organisation "Schwarzes Kreuz" für die Bescherung.
Celle/Hannover (epd). Für wen sie das Weihnachtspäckchen packt, weiß Beatrix Mousqueda-Steinhoff nicht. Was in den Karton rein darf, dafür umso genauer. "Dauerwurst, Kaffee, Kekse...", zählt die 47-Jährige auf. Sie orientiert sich an einer Liste, die das "Schwarze Kreuz" zusammengestellt hat. Seit 60 Jahren ruft die christliche Organisation aus dem niedersächsischen Celle in ganz Deutschland dazu auf, Menschen zu beschenken, an die zu Weihnachten sonst keiner denkt - die Häftlinge in den Justizvollzugsanstalten.
An den Feiertagen erlebten die Gefangenen die Einsamkeit noch stärker als sonst, sagt der Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt Hannover, Ulrich Tietze. Im Advent spürt der Pastor, wie der Gesprächsbedarf zunimmt. Viele Männer bitten um Kerzen, die der Seelsorger in Hannover anders als in anderen Anstalten ausgeben darf. "Besuche und Kontakte werden in diesen Wochen in besonderer Weise als wichtig erlebt", sagt Tietze: "Viele Gefangene sind froh, wenn die Weihnachtszeit vorbei ist."
Rund 700 Pakete gegen die Einsamkeit haben Spender bundesweit in diesem Jahr für das "Schwarze Kreuz" gepackt. Die Organisation vermittelt sie in die Gefängnisse weiter. Ehrenamtliche, Seelsorger und Sozialarbeiter verteilen die Geschenke dort an Häftlinge, die kein Geld und keine Angehörigen haben. Die Nachfrage sei groß, sagt der Geschäftsführer der Straffälligenhilfe, Otfried Junk. "Aus der Anstalt in Dresden hören wir zum Beispiel: Schickt uns, so viel ihr habt."
Als gemeinnützige Organisation darf das "Schwarze Kreuz" die Weihnachts-Pakete noch in die Gefängnisse senden. Privatleuten erlauben die Gesetze der meisten Bundesländer das wegen des Kontrollaufwandes nicht mehr. "Das hat gravierende Folgen für Gefangene und Angehörige", sagt Junk: "Eine Mutter kann ihrem Sohn kein Paket schicken." Zwar dürften die Inhaftierten im Ausgleich einen Sondereinkauf machen: "Dafür müssten sie aber erst mal das Geld haben."
Strenge Regeln haben die Justizvollzugsanstalten auch für den Inhalt der Pakete aufgestellt. Erlaubt sind Lebensmittel, Alkohol ist selbst in Pralinen verboten. Konserven und Tuben dürfen ebenso wie Nüsse in Schalen nicht eingepackt werden. Die Adresse des Absenders erfährt der Gefangene nicht. Trotzdem bedanken sich einige in Briefen an das "Schwarze Kreuz", wie ein Häftling aus Aachen: "Es tut gut, zu wissen, dass es da draußen noch so liebe Menschen gibt wie Sie, die uns nicht gänzlich für das verurteilen, was wir getan haben."
Nicht alle Menschen hätten Verständnis dafür, dass sich das "Schwarze Kreuz" den Tätern statt den Opfern zuwende, sagt Geschäftsführer Junk. "Manche reagieren richtig böse und emotional." Dafür habe er Verständnis. "Es geht uns nicht darum, Schuld zu verharmlosen." Eine Aufgabe des Strafvollzuges sei jedoch, die Inhaftierten zu resozialisieren. "Sie werden zur Rechenschaft gezogen. Aber es gibt auch das Angebot: In Zukunft machen wir es besser." Dafür könne ein Paket ein kleines Signal sein.
Beatrix Mousqueda-Steinhoff hatte einen einsamen Menschen vor Augen und nicht einen Verbrecher, als sie in ihrem Wohnzimmer in Wiefelstede bei Oldenburg das Paket zusammengestellt hat. Der Gedanke, etwas herzugeben, ohne etwas zurückzuerwarten, motivierte die gläubige Christin: "Meine 15-jährige Tochter sagte: Mama, das ist noch schöner, als selbst etwas geschenkt zu bekommen."