
Hannover (epd). Niedersächsische Landespolitiker und Bürger haben am Samstagabend bei einem Konzert in Hannover der Opfer der Reichspogromnacht vor genau 75 Jahren gedacht. "Gedenken heißt, den Toten die Würde geben - die Würde, die unsere Vorväter und Mütter ihnen genommen haben", sagte der evangelische Landesbischof Ralf Meister vor rund 1.000 Besuchern in der überfüllten Marktkirche. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörten Nationalsozialisten überall in Deutschland jüdische Geschäfte und brannten Synagogen nieder, darunter die große Synagoge von Hannover. Die Pogrome bildeten den Auftakt zur gewaltsamen Judenverfolgung.
Unter den Teilnehmern der Gedenkfeier waren Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn (SPD), Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) sowie mehrere Landesminister. Der jüdische Kantor Benjamin Maissner aus dem kanadischen Toronto, Neffe des letzten Oberkantors an der 1938 zerstörten hannoverschen Synagoge, trug gemeinsam mit dem Europäischen Synagogalchor traditionelle jüdische Gesänge und Vertonungen der heiligen Texte des Judentums vor. Dabei erklangen bei auch die Namen von Konzentrationslagern wie Sachsenhausen, Bergen-Belsen oder Mauthausen, in denen insgesamt sechs Millionen Juden ermordet wurden.
Angesichts von Geschichtsklitterungen, ausländerfeindlichen Parolen und Aufmärschen von Rechtsradikalen dürften die Menschen nicht nachlassen, an die Reichpogromnacht zu erinnern, mahnte Bischof Meister. "Diese Vergewisserung ist der Schlüssel für die Tür zur Zukunft." Die heutigen Generationen müssten sich immer fragen lassen, wie es um die Werte stehe, die eine Gesellschaft zusammenhalte.
Hannovers evangelischer Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann sagte, die Reichspogromnacht sei ein "schreckliches Fanal" der deutschen Geschichte und der Weltgeschichte. "Bis heute schmerzen die Wunden und Narben aus dieser Nacht." Die Reichspogromnacht habe direkt zu den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs geführt, auch wenn viele Deutsche dies nicht wahrhaben wollten.
In der von den Nazis angeschürten Pogromnacht starben nach Schätzungen von Historikern mehr als 1.300 Menschen. Wohnungen wurden verwüstet, jüdische Bürger misshandelt. Das Gedenkkonzert unter der Leitung von Professor Andor Izsak vom Europäischen Zentrum für Jüdische Musik wurde von Sender NDR Kultur im Radio übertragen.
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