Diakonie: Mehr junge Wohnungslose durch Hartz IV

Nachricht 21. Juli 2013

Betroffene wollen nicht zu Hause leben

Hannover/Wunstorf (epd). Junge Langzeitarbeitslose leben nach Angaben von Experten heute infolge der Hartz-IV-Gesetze häufiger auf der Straße als noch vor wenigen Jahren. "Das ist eine ganz neue Gruppe", sagte der hannoversche Diakoniepastor Rainer Müller-Brandes am Monag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Diese Entwicklung macht uns große Sorgen."

Für Langzeitarbeitslose unter 25 Jahren gebe es gesetzliche Vorgaben, bei den eigenen Eltern zu wohnen. Da die Betroffenen laut Müller-Brandes jedoch oft in instabilen Familien lebten, übernachteten viele von ihnen lieber bei Freunden oder würden ganz wohnungslos. "Das Sozialsystem hat die Versorgung der jungen Arbeitslosen gekappt", kritisiert der Leiter des Diakonischen Werkes im evangelischen Stadtkirchenverband Hannover.

Von den rund 940 Wohnungslosen, die im vergangenen Jahr in die zentrale Beratungsstelle der Diakonie in Hannover kamen, waren nach Diakonie-Angaben 305 unter 25 Jahren - ein knappes Drittel. Dies sei im Vergleich zum Vorjahr, als sich 240 junge Wohnungslose beraten ließen, ein Anstieg von rund 23 Prozent. Aus der Altersgruppe der 25- bis 27-Jährigen kamen dagegen nur drei Wohnungslose in die Beratungsstelle.

Manfred Ratzmann kann diesen Trend bestätigen. Er arbeitet bereits seit 1993 im Tagestreff der Diakonie für Wohnungslose in Wunstorf bei Hannover. "In den vergangenen Jahren sind viele junge Menschen dazugekommen", sagt der Sozialarbeiter. Für einige Hartz IV-Empfänger unter 25 sei es einfach nicht zumutbar, bei den Eltern zu leben. Und das Jobcenter könne die jungen Betroffenen nicht angemessen begleiten. So sei eine neue Form der Wohnungslosigkeit entstanden.

Zu Zeiten der Sozialhilfe sei es viel mehr darum gegangen, Menschen ohne Bleibe existenziell abzusichern, sagt Ratzmann. Die Sozialämter hätten damals den wirklichen Lebenszusammenhang berücksichtigt und seien auch finanziell flexibler gewesen. "Heute wird nur stur nach Paragrafen entschieden." Die Jobcenter sähen die Betroffenen nicht als wohnungslos, sondern in erster Linie als arbeitslos. Dabei seien sie erwerbsunfähig: "Wer auf der Straße lebt, kann nicht normal arbeiten gehen."

Copyright: epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen