„Gottes Wort – Ursprung und Grund der Kirche“
Kirchenpräsident Schad predigt zum Abschluss der EKD-Synode
Der Leitende Geistliche der Evangelischen Kirche der Pfalz, Kirchenpräsident Christian Schad (Speyer), hat im Abschlussgottesdienst der 5. Tagung der 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Waldkirche, Timmendorfer Strand, in seiner Predigt das Wesen der Rechtfertigung aus Glauben ausgelegt.
„Was hält mein Leben zusammen, wenn ich an Grenzen stoße, wenn ich scheitere – an mir selbst oder an anderen, oder wenn Leid und Krankheit und am Ende das eigene Sterben ständige Begleiter sind?“, fragte Schad zu Beginn seiner Predigt über Römer 10, 9-17. Dass kein Mensch ohne „letzte Annahme“ und ohne „letzte Würdigung“ seiner Existenz leben könne, sei unstrittig. Problematisch allerdings werde es, „wenn Rechtfertigung im Zeichen eines Entweder-Oder“ stehe: entweder „aus Werken des Gesetzes“ oder durch den „Glauben an Jesus Christus“.
Natürlich sei „Gerechtigkeit“ ein „Begriff der Tat“, so der Kirchenpräsident, und als „moralisches Urteil“ sei es in Ordnung, den Satz zu sagen „Wie ich handle, so werde ich gerecht.“ Aber das Tun des Menschen dürfe nicht zum „Pensum der eigenen Selbstrechtfertigung“ werden, so Schad weiter, denn nach Paulus bestehe „die Würde unseres Lebens nicht in der Summe dessen, was wir durch unsere Lebensleistung zustande bringen.“ Die Gerechtigkeit, die vor Gott gelte, gehe jeder menschlichen Anstrengung voraus, denn: „Gerechtigkeit ist eine Geste Gottes! Ausdruck seiner unbedingten Freundlichkeit und Zuneigung zu uns Menschen. Alle Gewohnheit, dass mein Tun und Lassen in der Welt in einem Handlungszusammenhang mit Gott steht, wird aufgelöst. Gerechtigkeit ist kein Tun mehr, sondern ein Sein durch Gott: Geschenk Gottes im Glauben an Jesus Christus.“
Der Glaube, so der Kirchenpräsident in Anknüpfung an Römer 10, 17 komme aus der Predigt. Deshalb habe Luther gesagt: „Gott hat mit den Menschen niemals anders gehandelt, handelt auch nicht anders mit ihnen, als durch das Wort der Verheißung und so können auch wir mit Gott nicht anders handeln, als durch den Glauben an sein Verheißungswort.“ Diese Grunderfahrung, so Schad, führe dazu, dass protestantische Kultur „Wortkultur“ sei, denn:
„Sie traut dem Wort und den Wörtern etwas zu, geht sorgsam mit ihnen um, setzt auf Kommunikation, die nicht im Unsagbaren verharrt, sondern sich verständlich machen will.“
Glaube sei zwar verletzlich, aber er stehe unter der Zusage Gottes, dass das Herz mit Hilfe des „menschlichen, des verstehbaren Wortes“ berührt werde. Schad: „Wo wir also unsere Hoffnung miteinander teilen, wo wir weitersagen was uns trägt im Leben und im Sterben, da kann es geschehen, dass das Hören unser Herz berührt und Vertrauen entsteht.“
Dieses Ja-Wort sei, „Ursprung und Grund der Kirche im Gottesdienst“, so der Pfälzer Kirchenpräsident und führte abschließend aus: „Unser Handeln besteht allein darin, dass wir Gott danken, ihn loben und uns im Gebet ihm anvertrauen. So bezeugen wir, dass Jesus Christus unser einziger Halt und Trost ist, wie es im Heidelberger Katechismus heißt: ;Dass ich mit Leib und Seele, beides, im Leben und im Sterben, nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin.‘“
Timmendorfer Strand, 7. November 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick
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Synode verabschiedet Kundgebung zum Schwerpunktthema
„ ‚Am Anfang war das Wort...‘ – Theologische Impulse auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017“
Die 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat an diesem Mittwoch zum Ende der 5. Tagung in Timmendorfer Strand die Kundgebung zum Schwerpunktthema „Am Anfang war das Wort …“ – Theologische Impulse auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017“ beschlossen. Die Kundgebung gliedert sich in fünf Abschnitte.
Im ersten Abschnitt („Todesangst und Lebenshoffnung“) knüpft die Kundgebung an die erste der 95 Thesen Martin Luthers an und hält fest, dass die Reformation mit einem Wagnis begonnen habe. Mit dem Wagnis, die gesamte Hoffnung auf Christus zu setzen und nicht länger das Heil frommen, formelhaften Übungen anzuvertrauen und der Erkenntnis: „Gottes Liebe kann nicht käuflich sein!“ Mit diesem Ruf habe Martin Luther eine gewaltige Befreiungsbewegung angestoßen.
Im zweiten Abschnitt („Fromm und politisch“) stellt die Kundgebung dar, dass die Spiritualität der Reformatoren im Wort Gottes gegründet, aber auch auf den Alltag ausgerichtet sei. „Sie ist fromm und zugleich leidenschaftlich politisch engagiert zum Wohl der Menschen. Gottesdienst, so die Kundgebung, geschehe „im Dienst an und im Dank für Gottes Wort“, aber auch im Dienst am Mitmenschen. „Kampf und Kontemplation, Arbeit und ihre heilsame Unterbrechung“ gehörten zusammen, denn: „Der Schufterei des Alltags hat Gott Grenzen gesetzt, indem er Unterbrechungen im Tageslauf und einen Tag der Ruhe einsetzte.“
Im dritten Abschnitt („Scheitern und Versöhnen“) erwägt die Kundgebung, wie die Frage der Reformation „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ heute Gestalt gewinne. Diese Frage, so die Kundgebung, begegne uns heute in der Suche nach dem Sinn des Lebens, im Ringen um Anerkennung und Bestätigung und in der Suche des Menschen nach dem Glück. „Die Erfahrung ist die gleiche geblieben: Das Leben bleibt Fragment. Das perfekte Leben gibt es nicht. Und den Sinn seines Lebens kann sich niemand selbst aus eigener Kraft geben. Erfolg und Gelingen sind unverfügbar.“ Vor dem Horizont der Ewigkeit werfe die Botschaft von Kreuz und Auferstehung Licht auf die dunklen und unversöhnten Seiten des menschlichen Lebens.“
Im vierten Abschnitt („Wahrheit und Liebe“) charakterisiert die Kundgebung Religion als die „,existentiellen, persönlichsten und letzten Fragen“ des Lebens. Weil dies so sei, provoziere Religion unweigerlich den „Streit um die Wahrheit“. Wer das Wagnis eingehe, alles auf die Karte seines Glaubens zu setzen, der laufe Gefahr, anderen Glaubensüberzeugungen den Respekt zu versagen: „Wenn Wahrheit und Liebe in einen Gegensatz zueinander geraten, wird der Glaube intolerant.“
Die reformatorischen Kirchen, so die Kundgebung weiter, „nehmen ihre Verantwortung für die Gestaltung dieser Welt wahr, indem sie in die Bemühungen um den Frieden in der Welt die Erkenntnis einbringen: Die Religionen bieten Potentiale zur Versöhnung und zum Frieden. Ihre Selbstreinigung vom Geist der Gewalt ist die zwingende Konsequenz aus ihrer Geschichte.“
Im fünften Abschnitt („Teilhabe und Gemeinschaft“) verleiht die Kundgebung der Hoffnung Ausdruck, „dass unsere Gesellschaft so gestaltet werden kann, dass gerechte Teilhabe für alle gewährleistet ist und niemand verloren geht.“ Schließlich regt die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland ihre Mitgliedskirchen und die Kirchengemeinden an, die Zeit bis zum Reformationsjubiläum 2017 für eine „intensive Beschäftigung mit den Kernthemen reformatorischen Glaubens zu nutzen“ und zwar unter den Leitfragen: „Was ist das Reformatorische an der Reformation? Was bedeutet die Rechtfertigung des Sünders für uns und für die nächste Generation? Wie berührt der Glaube mein Herz? Wie können wir unsere Weltverantwortung wahrnehmen?“
Zu solchen Klärungen gehöre auch, sich mit dem eigenen Schatten auseinanderzusetzen, denn: „Wo in unserer Geschichte falsche Entscheidungen getroffen wurden oder Unheil angerichtet wurde, braucht es Erinnerung, Klarheit und Distanzierung. Die Botschaft von der Versöhnung benötigen zuerst die, die sie verkündigen.“
Abschließend stellt die Kundgebung fest: „Die Reformation ist Weltbürgerin geworden. Sie gehört allen. In 500 Jahren hat sie sich über die Welt ausgebreitet und ist in ungezählten Ländern und Kulturen heimisch geworden. Von dort wandert sie zurück und beschenkt uns mit den Erfahrungen aus aller Welt. Wir freuen uns auf ein Jubiläum, das wir gemeinsam mit den Kirchen in Europa und weltweit feiern wollen.“
Timmendorfer Strand, 7. November 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick
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EKD-Synode für die Abschaffung der Residenzpflicht
Beschluss zum menschlichen Umgang mit Flüchtlingen
Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich für die Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber ausgesprochen. In einem am 7. November auf der Tagung der Synode in Timmendorfer Strand mit großer Mehrheit angenommenen Beschluss heißt es wörtlich:
„Die Synode der EKD erklärt ihre Solidarität mit den Flüchtlingen, die mit einen Protestmarsch von Würzburg nach Berlin gegen die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Deutschland demonstriert haben. Die Synode verwendet sich dafür, dass die Flüchtlinge nicht belangt werden, auch wenn sie auf ihrem Marsch gegen aufenthaltsrechtliche Auflagen verstoßen haben sollten.
Die Synode unterstützt die Forderung der Flüchtlinge nach Abschaffung der Residenzpflicht. Sie erinnert an ihren Beschluss vom November 2010 und erneuert ihre Forderung nach Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylbewerber und Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes.
In diesem Zusammenhang begrüßt die Synode das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012, das die Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für evident unzureichend erklärt und klargestellt hat, dass eine Ausgestaltung des Leistungsniveaus unterhalb eines menschenwürdigen Existenzminimums zur Abschreckung von Asylsuchenden nicht verfassungsgemäß ist.
Die Synode bittet den Rat der EKD, sich bei der Bundesregierung und den Bundestagsfraktionen dafür einzusetzen,
- dass die Residenzpflicht abgeschafft und das Arbeitsverbot aufgehoben wird,
- dass das Asylverfahren fair und zügiger gestaltet wird,
- dass Gesetzesänderungen, die eine wohlwollende Überprüfung des Asylgesuchs im Einzelfall erschweren, nicht vorgenommen werden,
- dass das Asylbewerberleistungsgesetz aufgehoben wird.
Die Synode bittet den Rat der EKD, gemeinsam mit den anderen europäischen Kirchen weiterhin aufmerksam und konsequent die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in den Mitgliedsstaaten zu beobachten und für menschenwürdige Lebensbedingungen von Flüchtlingen einzutreten.“
Timmendorfer Strand, 7. November 2012
Pressestelle der EKD
Silke Römhild
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Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
Kirchenamt der EKD
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EKD setzt Reformen im Finanzwesen um
Synode berät erstmals über doppischen Haushaltsplan für 2013.
In der gesamten evangelischen Kirche findet seit fast einem Jahrzehnt ein Reformprozess statt, der nahezu alle Bereiche des kirchlichen Handelns betrifft. Teil dieses Prozesses war und ist auch die Entwicklung eines neuen kirchlichen Finanzmanagements. Dabei geht es darum, die bislang rein zahlungsorientierte Darstellung der Haushalte auf der Basis des kameralen Systems durch ein ressourcenorientiertes Finanzmanagement zu ersetzen. Inhalte und Ziele sollen stärker in den Vordergrund rücken.
„Damit sollen auch bessere Voraussetzungen für das kirchliche Handeln selbst geschaffen werden. Zugleich soll das kirchliche Handeln transparenter dargestellt werden: es soll den Verantwortlichen ermöglicht werden, Haushaltszahlen und die Arbeit selbst, ja möglichst Ergebnisse des Tuns in ihrem Zusammenhang zu sehen und zu gestalten.“ führte der Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen und Mitglied des Rates der Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD), Klaus Winterhoff, aus.
Der Haushalt, so Winterhoff weiter, repräsentiere die Schwerpunkte der inhaltlichen Arbeit der EKD. Dazu gehöre als Markstein die entwicklungspolitische Arbeit. Das Gesamtvolumen des Haushalts der EKD werde sich auf rund 187 Millionen Euro belaufen und maßgeblich durch Umlagen der Gliedkirchen der EKD finanziert.
Friedrich Vogelbusch, Vorsitzender des Haushaltsausschusses der EKD, unterstrich, dass die aktuelle Lage zu einem grundlegenden Wandel herausfordere. Ein Wandel, der durch das neue kirchliche Rechnungswesen ab 2013 unterstützt werden solle. Die Synode der EKD habe in diesem Jahr ihren ersten „kirchlich-doppischen Haushalt“ beraten. Dies, so Vogelbusch abschließend, sei ein „historischer Moment“.
Timmendorfer Strand, 6. November 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick
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„Am Anfang war das Wort...“
Propst Gorski bringt Kundgebungsentwurf vor der 11. Synode ein
Der Hamburger Propst Horst Gorski hat am Montag vor der Synode in Timmendorfer Strand den Kundgebungsentwurf für das diesjährige Schwerpunktthema eingebracht. Der Entwurf der Kundgebung trägt den Titel: „Am Anfang war das Wort“ – Perspektiven für das Reformationsjubiläum 2017“.
Gorski, der als Vorsitzender des Vorbereitungsausschusses sprach, legte seiner Eingebung die biblische Passage des Fischzug des Petrus aus dem Lukasevangelium zugrunde: „Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen.“ (Lukas 5, 5.6)
Gorski machte deutlich, dass die Nachfolge Christ mit einem Wagnis beginne: „Ein Wagnis bringt die Wende: ,aber auf dein Wort...‘. Simon Petrus und die anderen Fischer vertrauen dem Wort Jesu. Das ändert alles. Den Fang, den Tag, das Leben.“ Christinnen und Christen seien zu allen Zeiten dieses Wagnis eingegangen: „Auf nichts anderes zu vertrauen als auf Jesus Christus und sein Wort“, so der Propst.
Dann zog der Vorsitzende eine Parallele zur berühmten ersten These der 95 Thesen Martin Luthers von 1517 („Da unser Herr und Meister Jesus spricht: ‚Tut Buße’ usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll“). Martin Luther habe an seiner Kirche gelitten, denn: „Fromme Übungen formelhaft abzuleisten oder Gnade durch den Kauf von Ablassbriefen zu erlangen, erkennt Luther als Irrweg. Gottes Liebe kann nicht käuflich sein.“ Mit dem Ruf zur Buße habe Luther eine „gewaltige Befreiungsbewegung“ angestoßen, und „geborgen in Gottes Liebe wird der Mensch frei von sich selbst, frei für Gott und den Nächsten, frei zur Hoffnung für das Leben.“
Vielfach haben Menschen erfahren, dass Umkehr möglich ist, dass sich neue Freiräume eröffnen, wenn sie Gottes Wort hören und die Netze neu auswerfen. Das von Martin Luther wiederentdeckte Evangelium mache die Menschen frei, „zu glauben, zu hoffen und zu lieben“, so Gorski weiter. Der Alltag aber, so der Propst, sei die „Herausforderung für den Glauben“. Die verschiedenen reformatorischen Strömungen hätten auf „unterschiedliche Weise“ ein „entschiedenes Ethos alltäglicher Bewährung“ hervorgebracht. Die Diakonie in Unternehmen, Werken und in den Kirchengemeinden, so Gorski, lege davon ein eindrucksvolles Zeugnis ab.
Anknüpfend an die 1. Frage des Heidelberger Katechismus („Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben, nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst“) illustrierte der Vorsitzende die zentrale Frage des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Reformation, die da lautete: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“
Die Antwort fanden die Reformatoren damals in der Erkenntnis, dass niemand aus eigener Kraft selig werden könne. Gorski: „In der Mitte der Theologie aller Reformatoren steht das ,pro me‘ – das ,für mich‘. Die Entdeckung, dass Christus gerade ,für mich‘ gestorben und auferstanden ist, ist für die Reformatoren die Antwort auf ihre zentrale Frage: Nur weil Gott uns unser Scheitern und unsere Schuld vergibt, kann unser Leben mit Gott und mit sich selbst versöhnt werden.“
In Bezug auf die Situation des modernen Menschen konstatierte der Vorsitzende: „Die Frage nach der Versöhnung ist geblieben, auch wenn ihr Gewand anders aussieht. Heute wird sie als Suche nach dem Sinn des Lebens formuliert, als Suche nach Verwirklichung von Sehnsüchten und Lebenszielen.“ Die Erfahrung aber sei die gleiche geblieben, nämlich: „Das Leben bleibt Fragment. Das perfekte Leben gibt es nicht. Und den Sinn seines Lebens kann sich niemand selbst aus eigener Kraft geben.“ Die Botschaft von Kreuz und Auferstehung, so Gorski, werfe vor dem Horizont der Ewigkeit Licht auf die dunklen und unversöhnten Seiten des menschlichen Lebens.
Dabei sei das christliche Grundmotiv des Versöhnungshandelns Gottes im Kreuzestod Jesu „niemals selbsterklärend gewesen“, viel mehr, so Gorski, wecke es in vielen Menschen Zweifel und Fragen, denn: „Schon in der Bibel sind unterschiedliche Deutungen des Todes Christi angelegt, sie umkreisen alle das eine Geheimnis des Gnadenwillens Gottes in Jesus Christus. Die Lutherdekade und die Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 verstehen wir als Chance, an diesem zentralen Thema gemeinsam weiterzuarbeiten, und laden alle Christen, gleich welcher Konfession ein, um seine Aktualisierung zu ringen.“
Heute beteiligten sich die reformatorischen Kirchen am Ringen um die Wahrheit und nähmen ihre Verantwortung für die Gestaltung dieser Welt wahr. Gorski: „In die Bemühungen um den Frieden in der Welt bringen sie die Erkenntnis ein: Die Religionen bieten Potentiale zur Versöhnung und zum Frieden. Ihre Selbstreinigung vom Geist der Gewalt ist die zwingende Konsequenz aus ihrer Geschichte.“
Angesichts der anhaltenden Faszination menschenverachtender Ideologien, von zunehmendem Fundamentalismus in den Religionen wie auch von hier und da zu beobachtender Vernunftverdrossenheit in Kultur, Bildung und Politik in heutiger Zeit bekennen sich die reformatorische Kirchen dazu, „dass es einen Weg zurück hinter die Aufklärung nicht geben kann und nicht geben darf.“
Der Gedanke des Priestertums aller Getauften, so der Vorsitzende, enthalte starke Impulse für Kommunikation, Bildung und Emanzipation. Deshalb möge die Synode EKD ihre Gliedkirchen und Kirchengemeinden an, regen die Zeit bis zum Reformationsjubiläum 2017 für eine intensive Beschäftigung mit den Kernthemen reformatorischen Glaubens zu nutzen, die da lauteten: „Was ist das Reformatorische an der Reformation? Was bedeutet die Rechtfertigung des Sünders für uns und für die nächste Generation? Wie berührt der Glaube mein Herz? Wie können wir unsere Weltverantwortung wahrnehmen?“
Die Reformation gehöre allen, so der Vorsitzende abschließend. Und so möge Synode der EKD alle Menschen in Kirchen und Gemeinden, in Gesellschaft und Politik, in Ost und West einladen, auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 mit uns nach Wegen des Friedens und der Gerechtigkeit aus dem Geist des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung zu suchen.
Horst Gorski: „Ein herzliches Willkommen in den Kernlanden der Reformation! Wir freuen uns über alle, die kommen und mit uns fragen und hoffen, glauben und feiern!“
Timmendorfer Strand, 5. November 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick
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Die Sache mit Gott neu zum Leuchten bringen: Kathrin Göring-Eckardt hält Präsidiumsbericht vor der EKD-Synode.
Mit einem festlichen Gottesdienst wurde die 5. Tagung der 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an diesem Sonntag im Dom zu Lübeck eröffnet. Der Leitende Geistliche der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Bischof Gerhard Ulrich (Schleswig), legte seiner Predigt den Beginn des Johannesevangeliums zugrunde: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ (Johannes 1,1)
Davon ausgehend erinnerte Ulrich an den Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel: „Gott sprach – und es ward: Licht, Leben, Himmel, Erde. Gottes Wort ist immer schöpferisches Wort. Bei ihm ist Reden immer gleich Tun. Worte von Menschen können demütigen, verletzen, auch töten. Gottes Wort aber bringt hervor Leben auf Leben – Neues Leben, Ewiges Leben“. Auch Martin Luther, so der Bischof, habe immer daran erinnert, dass „allein das Wort Gottes des Menschen Herz regieren soll, keine Macht sonst“; und ergänzte: „Von Gottes Wort regierte Herzen regieren die Welt anders: barmherzig, mit Liebe, zur Freiheit. Solche Herzen sind hörende Herzen, unruhige Herzen, die sich nicht zufrieden geben mit dem, was immer schon so war.“
Ulrich betonte, dass die Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich kein „gottgewolltes Schicksalsgefüge“ sei, sondern „von Menschen entfachter Irrsinn, und das Recht der Starken gegen die Schwachen sei nicht der Weg des göttlichen Heils, sondern „menschlicher Irrweg“. Vielmehr gelte, dass der Wert des Menschen und seine Würde nicht abhängen von „Leistung und Reichtum, Schönheit und Klugheit.“ Das Wort Gottes wolle vielmehr freimachen von Zwängen, und ein Glaube, der die Realität der Welt und die Realität Gottes gleichermaßen, in sich trage, führe dazu, „dass Worte Frieden stiften.“
In Bezug auf das Reformationsjubiläum 2017, das Schwerpunktthema der heute beginnenden EKD-Synode, sagte der Bischof: „Reformation stellt Kirche wieder auf ihren Anfang – und stellt sie hinein in die Welt. Wir müssen uns immer wieder vergewissern, wie nah unser Reden und Tun dem Fleisch gewordenen Wort Gottes ist. Und nie darf aufhören diese Vergewisserung, diese Erneuerung, dieses Anfangen mit dem Wort.“ Auch die verschiedenen christlichen Kirchen und Konfessionen machten gemeinsam immer wieder die Erfahrung, dass das biblische Wort größer sei als alle Konfessionen: „Es gehört uns nicht, es ist uns gemeinsam anvertraut. Und darum wollen wir weiter alles tun, um trennende Grenzen zu überschreiten“, so Ulrich abschließend.
Der Gottesdienst wurde live im Zweiten Deutschen Fernsehen übertragen. Im Anschluss an den Gottesdienst beginnt die Tagung der EKD-Synode in Timmendorfer Strand.
Hannover, 4. November 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick