Zwischen Einsamkeit und Zuversicht

Das Malen ist für den ostfriesischen Künstler Hermann Buß Belastung und Berufung zugleich. Zurzeit malt der 61-Jährige an seinem "Lebenswerk", wie er sagt: vier riesige Bilder zum 850. Bestehen des Klosters Loccum bei Hannover im kommenden Jahr.
Norddeich/Kr. Aurich/Loccum/Kr. Nienburg (epd, von Michaela Kruse). Seine Hose ist übersät mit Farbflecken. Sein ausgebleichtes, einst orangefarbenes Hemd hat schwarze, grüne, gelbe, weiße, rote Tupfer: Hermann Buß ist Maler. Der Mann mit dem blonden Bart und den wilden, dünnen Locken auf dem Kopf sieht aus, als sei er direkt den 1960er Jahren entsprungen. Doch von "Flower-Power" ist auf seinen Bildern nichts zu sehen: Sie sind tiefgründig, manchmal rätselhaft, nur auf den ersten Blick eindeutig. Derzeit malt der 61-Jährige sein "Lebenswerk", wie er sagt. Im Auftrag des evangelischen Klosters Loccum bei Hannover entstehen vier Bilder in den Maßen fünf mal drei Meter für die Johanneskapelle.
Im nächsten Jahr wird der 850. Geburtstag des Klosters, das zwischen Nienburg und Minden liegt, gefeiert. Es sind zum einen die Dimensionen der Bilder, die den Vater zweier Söhne beeindrucken. Und: "Ich werde nie wieder ein Werk entwickeln, das so viel Aufmerksamkeit erhält." Dabei hat Buß bereits einige Altarbilder für lutherische Kirchen gemalt. Das erste entstand 1990 für die Inselkirche Langeoog, aber auch in den Kirchen von Oldenstadt bei Uelzen, Ardorf bei Wittmund oder Warzen bei Hannover sind seine Bilder zu sehen.
Buß ist ein freundlicher Ostfriese, der seit 31 Jahren mit seiner Frau in einem Haus direkt hinter dem Deich bei Norddeich lebt: "Ich lege Wert auf Beständigkeit." Dass es zum nächsten Nachbarn weit ist, kommt ihm entgegen, denn "die räumliche Distanz zu anderen spiegelt mein Leben wider". Und Buß ist alles andere als ein abgehobener Künstler: "Solche Attitüden findet man nur bei denen, die nicht so aktiv sind."
Er wirkt tiefsinnig und belesen und ist als Maler offenkundig sehr fleißig. Von seinem Beruf kann Buß inzwischen leben. Er zeigt und verkauft seine Bilder auf Ausstellungen in ganz Deutschland. Auch wenn er bereits in der Schule gut malen konnte - "ich hatte eine künstlerische Ader" - wollte er als Jugendlicher ganz klar zur See fahren, so wie sein Vater und seine Vettern. Nach dem Abitur aber ging er mit der damaligen Freundin nach Oldenburg und studierte Lehramt.
Er arbeitete auch ein paar Jahre in dem Beruf. Doch dann setzte sich das Malen durch. Trotz des nie bereuten Entschlusses, sagt Buß: "Das Malen ist eine Belastung, eine Anstrengung." Für jedes Bild müsse er einen "Wust an kreativen Einfällen in Bahnen lenken". Er beschreibt seine Kunst als "meistens sehr einsam, fast autistisch".
Auf seinen Werken kommt immer wieder Wasser vor. Von ostfriesischer Heimatromantik ist aber keine Spur. Auch wenn seine Bilder Schiffe, Menschen, Inseln zeigen - behandeln sie doch Werte wie Einsamkeit, Sehnsucht oder Zuversicht.
Für Bilder sei es am besten, wenn sie über zwei Ebenen verfügten, betont Buß: "Sie sollen intellektuell eine Herausforderung sein, aber ebenso sinnlich etwas zum Klingen bringen." Die Leute würden ihn bei Ausstellungen immer wieder fragen, was er mit seinen Bildern ausdrücken wolle. "Ich sage ihnen dann: 'Schaut selber hin'." Jeder solle sich seine eigene Gedanken dazu machen. "Aber manchmal staune ich dann schon, was anderen zu meinen Bildern einfällt."
Es passt zu Buß, dass er nicht in einem schicken Atelier mit großen Fenstern malt. Er arbeitet in einem rot gestrichenen Gartenhaus. Derzeit ist es dort noch enger als sonst: An jeder der vier Wände stehen die riesigen Bilder für die Johannes-Kapelle. Da sie im Volksmund den Zusatz "Buß-Kapelle" trägt, bricht bei dem Ostfriesen der Schalk durch, bevor es beim Wort "Lebenswerk" zu ernst wird: "Wahrscheinlich hat die Kirche mich nur genommen, weil eine Namensgleichheit zwischen 'Buß-Kapelle' und meinem Familiennamen besteht."
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