Landessuperintendentin widerspricht Kölner "Beschneidungsurteil"

Nachricht 06. Juli 2012

Hannover (epd/red). Landessuperintendentin Dr. Ingrid Spieckermann aus Hannover hat scharfe Kritik am sogenannten "Beschneidungsurteil" des Kölner Landgerichtes geübt. "Erstaunlich ist, mit welcher Leichtigkeit nicht nur die öffentliche Meinung, sondern ein deutsches Gericht über die Selbstbestimmung einer Religion hinweggehen", schreibt sie in der "Evangelischen Zeitung", die zum Wochenende in Hannover erscheint. Ein Gericht könne nicht über ein Wesensmerkmal einer Religion urteilen.

Das Landgericht Köln hatte in der vergangenen Woche die Beschneidung eines muslimischen Jungen als Körperverletzung gewertet. Spieckermann wies demgegenüber daraufhin, dass die Beschneidung seit Urzeiten geübt werde und im Judentum und Islam ein zentraler Ausdruck religiöser Identität sei. Es sei geschichtslos und überheblich, dies am Maßstab aktueller Wertungen zu beurteilen.

"Der geäußerte Verdacht, auf diesem Weg sich des Fremden zu entledigen, ist kaum zu entkräften", betonte Spieckermann. Sie erinnerte daran, dass bereits zu biblischen Zeiten der syrische Herrscher Antiochus IV. Epiphanes ein Beschneidungsverbot erlassen habe, um das traditionsbewusste Judentum zu zerstören.

Jüdische Jungen werden der biblischen Tradition zufolge am achten Tag nach ihrer Geburt beschnitten. Die Entfernung der Vorhaut ist seit Jahrtausenden das Aufnahmeritual für Söhne in die jüdische Gemeinschaft. Eine ähnliche Praxis gilt im Islam. Das Kölner Landgericht hatte argumentiert, die religiöse Beschneidung von Jungen sei ein dauerhafter und irreparabler Eingriff und entspreche nicht dem Kindeswohl. Jüdische und islamische Verbände hatten scharf dagegen protestiert.

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