Motorradseelsorger im Einsatz

Nachricht 25. April 2012

Mit Vorfahrt auf der "Kutte" - Motorradseelsorger werben in Gottesdiensten für mehr Toleranz im Straßenverkehr

In Bikergottesdiensten gedenken Motorradfahrer und Seelsorger ihrer verunglückten Kameraden. Die Veranstalter werben für Toleranz und Rücksicht im Straßenverkehr. In diesem Jahr müssen die Pastoren auch Abschied von einer Kollegin nehmen.

Braunschweig (epd). Sein Markenzeichen ist seine "Kutte". Die Weste aus Jeansstoff ist für den Motorradseelsorger Reinhard Arnold wie eine zweite Haut. Statt eines Namenschildes prangt auf Brusthöhe eine Blechplakette mit der Aufschrift "Merkwürden". Auf der Rückseite ist ein großer Aufnäher im Stile eines weiß-gelben Vorfahrtsschildes angebracht - dazu ein Kreuz. Der evangelische Theoeloge wirbt unter den Bikern für Toleranz, Vernunft und Verständnis.

"Die Krad-Gemeinde hat ein sehr viel stärkeres Wir-Gefühl als manche andere Gruppen", sagt der Pfarrer und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Motorradfahrer Braunschweig. Seit 25 Jahren organisiert Arnold den großen Biker-Gottesdienst im Braunschweiger Dom. Manche Biker würden sonst nie in die Kirche gehen, sagt er: "Für sie ist ein Bikergottesdienst das, was für viele Familien der Kirchbesuch am Heiligen Abend ist."

Umso wichtiger sei es daher, diese Veranstaltungen zu nutzen, um auf allen Seiten für Toleranz und Rücksichtnahme zu werben. Die Braunschweiger sind mit 15 weiteren Initiativen in der bundesweiten Gemeinschaft Christlicher Motorradgruppen engagiert. "Verkehrssicherheitsarbeit wird von uns als Teil des christlichen Auftrags zur Nächstenliebe verstanden", sagt Michael Aschermann von der Gemeinschaft. Dafür organisieren er und seine Mitstreiter neben Gottesdiensten auch Demonstrationen oder Informationsstände.

Die Arbeit scheint Früchte zu tragen, sagt Arnold. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes ist die Zahl der tödlich verunglückten Motorradfahrer seit 2007 um knapp ein Fünftel zurückgegangen. Dennoch verunglückten 2010 in ganz Deutschland noch 635 Biker. Sicher gebe es einige unbelehrbare Chaoten, sagt der Seelsorger. Die Masse der Biker fahre aber inzwischen sehr besonnen: "Wir müssen sie eben nur daran erinnern, wo ihre Grenzen liegen."

Das gilt umso mehr in der Region der braunschweigischen Landeskirche, sagt Polizeihauptkommissar Bernd Bunzel. Er gestaltet gemeinsam mit dem Verein in Salzgitter einen Verkehrssicherheitstag. Im bundesweiten Durchschnitt seien über die Jahre zumeist ein Drittel der Motorradunfälle selbst und zwei Drittel fremd verschuldet, sagt er. "Wir haben den Harz. Die Kombination aus Bergen und Kurven sorgt regelmäßig dafür, dass sich bei uns diese Statistik umkehrt."

Viele Biker haben schon Unfälle im Freundes- oder Bekanntenkreis verarbeiten müssen, erläutert Seelsorger Arnold. Er erlebe immer wieder, dass sich Motorradfahrer durch ihr Hobby sehr bewusst mit Gefahren und dem "Was-Wäre-Wenn" auseinandersetzen. "Im statistischen Vergleich haben Motorradfahrer beispielsweise öfter Organspendeausweise als die übrige Bevölkerung."

Früher hätten sich die Kumpel gewünscht, ihren Kameraden mit ihren Maschinen auf den Friedhof zu geleiten, erinnert sich Arnold an die Anfänge der Gedenkfahrten. "Für die trauernde Familie ist das aber absolut unpassend." Daher entschloss er sich, Trauerfeiern und Gedenken zu entkoppeln. Arnold ist sich sicher, dass alle Beteiligten von der Entwicklung hin zu großen Gedenkgottesdiensten profitieren.

Im Braunschweiger Dom werden an diesem Sonnabend zwölf Kerzen für die im Jahr 2011 im Gebiet der Landeskirche Verunglückten entzündet. Unter den Opfern ist auch die 2011 tödlich im Harz gestürzte Pastorin und Motorradseelsorgerin Manuela Wüsteney aus Dedesdorf bei Cuxhaven. Das Motto ihres letzten Biker-Gottesdienstes lautete "Gebt Gott die Chance, auf euch aufzupassen".

Mehrere Tausend Biker werden im Dom in Erinnerung an Wüsteney unter dem gleichen Motto der Opfer gedenken. Vorname, Alter und ein kurzer Text zum Unfallhergang werden verlesen, kündigt Arnold an: "Wer sagt, er lasse diese Situation nicht an sich herankommen, der ist entweder seelenlos oder er lügt."

Von Björn Schlüter (epd)

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