Syke/Hannover (epd). Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister macht sich für eine humanitäre Flüchtlingspolitik stark. Sie dürfe nicht von wirtschaftlichen Gesichtspunkten überlagert werden, sagte Meister am Freitag im epd-Gespräch. Bei einer Abwägung über ein Bleiberecht müssten gelungene Schritte der Integration den Ausschlag geben können, "selbst wenn andere Aspekte dagegen sprechen". Meister traf am Freitag in Syke bei Bremen die Familie Nguyen, die im November von Niedersachsen nach Vietnam abgeschoben worden war.
Der Fall hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil die fünfköpfige Familie seit 19 Jahren in Deutschland in Hoya bei Bremen lebt. Sie gilt als Beispiel für gelungene Integration. Erst auf starken Druck der Öffentlichkeit hatte sich Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) für eine Rückkehr eingesetzt.
Den Kirchen sei wichtig, dass humanitäre Aspekte nicht nur bei schulisch und beruflich gut integrierten Flüchtlingen wie den Nguyens beachtet würden, sagte Meister. Sie müssten auch für Menschen gelten, die ihren Lebensunterhalt nicht allein sichern könnten. "Alte oder kranke Menschen, Flüchtlinge, die unter Traumatisierungen leiden, Alleinerziehende mit Kindern - auch ihnen gilt unser fürsorglicher Blick", betonte der Landesbischof.
Die Kirche steht nach seinen Worten "in einem ständigen Dialog" mit dem Land über humanitäre Aspekte der Flüchtlingspolitik. "Wir sind Anwälte von Menschen, die man zu den Schwächsten in unserer Gesellschaft zählt. Unser Auftrag ist es, ihnen zur Seite zu stehen." Die Erleichterung, die Asylsuchende in Niedersachsen nun durch die neu geregelte Aufenthaltsbestimmungen erführen, seien aus Sicht der evangelischen Kirche "ein Schritt in die richtige Richtung".
Die Landesregierung hatte kürzlich beschlossen, dass sich Flüchtlinge künftig im ganzen Bundesland frei bewegen können, sofern sie nicht in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen müssen. Bisher dürfen sie den Bezirk ihrer Ausländerbehörde gar nicht oder nur in begründeten Fällen verlassen. Die Regelung wird wahrscheinlich im März in Kraft treten.
Deutschland und insbesondere Niedersachsen seien bis heute geprägt von den Flucht- und Vertreibungserfahrungen der Nachkriegszeit, ergänzte Meister: "Aber auch von neuer Beheimatung und gelungener Integration." Diese historischen Erfahrungen "erzwingen gesamtgesellschaftlich eine besondere Verantwortung für die Integration und Flüchtlingspolitik in unserem Land".
Copyright: epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen