
Hannover (epd). Bundespräsident Christian Wulff hat am Dienstag den neuen Sitz des Europäischen Zentrums für Jüdische Musik in der historischen „Villa Seligmann“ in Hannover eröffnet. Was hier entstehe, sei ein Anlass zur Freude für alle Deutschen, sagte er vor 120 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur: „Hier findet für diese Musik wieder Zukunft statt.“
Die Nationalsozialisten hätten mit der Zerstörung der Synagogen und ihrer Musik auch die Erinnerung an die Juden auslöschen wollen, betonte der Bundespräsident. Deutschland sei jedoch für immer verbunden mit dem großen Erbe der jüdischen Kultur: „Jede Neueröffnung einer jüdischen Einrichtung ist ein Akt der Reue.“ In der Villa Seligmann des jüdischen Industriellen und früheren Continental-Direktors Siegmund Seligmann (1853-1925) verbinde sich der Rückblick auf die deutsche Wirtschaftsgeschichte mit einem klaren Blick nach vorn.
Wulff hatte sich in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident bis 2010 für die Arbeit des Zentrums und den Umzug in die Villa eingesetzt. Für ihn war es seit den Vorwürfen wegen seiner umstrittenen Kredite der erste öffentliche Termin in Niedersachsen.
Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) dankte Wulff für seinen persönlichen Einsatz zugunsten des Zentrums. Wulff habe frühzeitig die historische Verantwortung für die jüdische Kultur erkannt. „Ohne sein Engagement wäre dieser heutige Tag nicht möglich“, betonte er unter dem Applaus der Zuhörer. Auf der Landkarte der jüdischen Musik sei Hannover jetzt ein hervorgehobener Ort. „Möge die synagogale Musik hier künftig weit über Niedersachsens Grenzen hinaus strahlen.“
Der Direktor des Zentrums, Professor Andor Izsak, forscht seit Jahrzehnten weltweit nach verschollenen Tonaufnahmen und Noten aus den im Nationalsozialismus zerstörten Synagogen. In der „Villa Seligmann“ will er die Werke künftig den Zeitgenossen nahebringen. Dazu stattete er die Villa unter anderem mit historischen Synagogenorgeln, Flügeln und anderen Instrumenten aus.
Die Anfang des 20. Jahrhunderts im neubarocken Stil erbaute Villa wurde seit 2008 für einen Millionenbetrag umfassend restauriert und in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Die Restauratoren legten unter anderem ein Fresko frei und entdeckten wertvolle Tapeten und Stoffbespannungen.
Das Geld für den Kauf und die Restaurierung stammt vor allem aus Spenden aus der Wirtschaft. Die Continental AG steuerte ebenso Zuschüsse bei wie der Drogerie-Unternehmer Dirk Rossmann, der Madsack-Zeitungsverlag oder der Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind. Eine sechsstellige Summe kam aus Mitteln der Denkmalpflege vom Bund und vom Land Niedersachsen.
Die Villa soll künftig als Begegnungsstätte für Konzerte, Vorträge und Ausstellungen dienen. Zugleich soll die synagogale jüdische Musik weiter erforscht werden. Zu diesem Zweck sind eine wissenschaftliche Bibliothek und ein Archiv in dem Gebäude untergebracht. Das Europäische Zentrum für Jüdische Musik wurde 1988 in Augsburg von Izsak gegründet. 1992 zog es nach Hannover um und wurde Teil der Hochschule für Musik und Theater.
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