Hannover (epd/red). Mit der Ausstellung "Abgeschoben in den Tod" erinnert die Stadt Hannover an die Deportation von 1.001 Juden nach Riga vor 70 Jahren. Der Zug aus Hannover in die lettische Hauptstadt startete am 15. Dezember 1941. Fast alle Deportierten fanden im Ghetto von Riga den Tod. Nur 69 von ihnen waren im Mai 1945 noch am Leben. Die Ausstellung ist bis zum 27. Januar 2012 im Bürgersaal des Rathauses zu sehen.
Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, begrüßte die Ausstellung. "Das ist die letzte Möglichkeit, eine Ausstellung mit Überlebenden zu machen", sagte er dem epd. "Die Stadt hat gemerkt, dass sie hier Nachholbedarf hat." Er bedauere es allerdings, dass Hannover immer noch keine Partnerstadt in Israel habe.
Fürsts Vater Helmut gehörte 1941 zu den Deportierten. Er überlebte das Grauen des Holocaust und kehrte nach Hannover zurück. Heute lebt er mit 89 Jahren im dortigen jüdischen Altenheim. Seine Eltern waren in Riga ums Leben gekommen. Die meisten Überlebenden gingen nach 1945 in die USA. Vier von ihnen kehrten anlässlich der Ausstellung als Zeitzeuginnen nach Hannover zurück.
Im Ghetto von Riga waren von November 1941 bis November 1943 insgesamt rund 20.000 Juden aus Deutschland in einem von Stacheldraht umzäunten Lager zusammengepfercht. Um für sie Platz zu machen, ließ die SS zuvor eilig rund 27.500 lettische Juden vor ausgehobenen Gruben erschießen. Nach und nach trafen dann Züge mit jeweils rund 1.000 Juden aus mehreren deutschen Städten ein. Eintreffende Zeitzeugen berichteten: "Es lagen noch Essensreste auf dem Tisch, und die Öfen waren noch warm."
Viele deutsche Juden wurden ebenfalls erschossen, andere zur Zwangsarbeit verpflichtet. Zu den wenigen Überlebenden gehörte auch Hilde Schneider, eine Christin jüdischer Herkunft. Sie hatte sich ab 1935 in der diakonischen Henriettenstiftung Hannover zur Krankenschwester ausbilden lassen. Nach dem Krieg studierte sie Theologie und wurde eine der ersten evangelischen Pastorinnen in Deutschland. 2008 starb sie mit 91 Jahren.
"Wir wollen dafür sorgen, dass dieses Kapitel der Stadtgeschichte nicht in Vergessenheit gerät", sagte Hannovers Kulturdezernentin Marlis Drevermann. Zur Ausstellung bietet die Stadt ein umfangreiches Begleitprogramm mit Führungen, Vorträgen, Gesprächen mit Zeitzeugen und einem wissenschaftlichen Symposium am 13./14. Januar an. Ein Katalog beleuchtet die Ausgrenzung und Vernichtung jüdischen Lebens in Hannover zur NS-Zeit.
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