Netzwerk gegen Rechtsextremismus

Nachricht 18. Dezember 2011

Rund 400 Menschen demonstrieren gegen Neonazi-Treff in der Lüneburger Heide

Eschede/Kr. Celle (epd). Mit rund 400 Teilnehmern haben am Sonnabend in Eschede in der Lüneburger Heide deutlich mehr Menschen als in den vergangenen Jahren gegen Neonazis demonstriert. Rechtsextremisten feiern dort auf einem abgelegenen Hof des NPD-Mitglieds Joachim Nahtz regelmäßig "Sonnwendfeiern". Dieses Mal zeigten sich nach Angaben der Polizei jedoch keine Nazis auf dem Anwesen. Große Anteilnahme hatte in der Region ein Brandanschlag gegen das Haus des evangelischen Gemeindepastors Wilfried Manneke am Donnerstag in Unterlüß ausgelöst.

Der Pastor engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus und die "Sonnwendfeiern". Bei der Tat wird ein rechtsradikaler Hintergrund vermutet. Der Staatsschutz hat inzwischen Ermittlungen aufgenommen.
Manneke sagte bei der Demonstration, er habe schon pöbelnde Neonazis vor der Haustür gehabt. Der Brandanschlag sei jedoch eine neue Qualität der Einschüchterung. "Wir stehen hier heute, um deutlich zu machen, wir lassen uns nicht einschüchtern."

Demo-Mitorganisator Klaus Jordan, vor dessen Haus ebenfalls ein Brandsatz gefunden wurde, rief zu einer noch größeren Beteiligung an den Protesten auf. "Nazis fühlen sich da stark, wo sie einer schweigenden Bevölkerung gegenüber stehen." Der Bürgermeister der nahegelegenen Stadt Celle, Dirk-Ulrich Mende (SPD), unterstrich: "Es ist wichtig, dass wir Gesicht zeigen."

Der Weltanschauungsbeauftragte der hannoverschen Landeskirche, Jürgen Schnare sagte, es gebe keinen Platz für Rassismus in Deutschland. Solange Neonazis ihre Parolen brüllten, die Geschichte verfälschten und Angst verbreiteten, würden hoffentlich Menschen dagegen protestieren. Der Pastor hatte vor einem Jahr die Initiative "Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers mit begründet.

Zu der Gegendemonstration hatten mehr als 80 Einzelpersonen und Organisationen wie Gewerkschaften, Kirchen, Parteien und antifaschistische Initiativen aufgerufen. Neben Schildern der Kirche mit dem Spruch "Die Heide blüht lila, nicht braun" wehten Fahnen der Antifa. Menschen trugen Aufkleber mit "Eschede Nazifrei" auf der Brust. Der Hof Nahtz wird seit Jahren von Rechtsextremisten für Planungstreffen genutzt. Die als Brauchtumstreffen daherkommenden "Sonnwendfeiern" seien alles andere als harmlos, betonten die Gegendemonstranten.

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"Wir lassen uns nicht einschüchtern" - Von Karen Miether

Eschede/Kr. Celle (epd). "Rechtsextremismus ist Gift für unser Land" steht auf dem Schild, das Wilfried Manneke fest umgreift. Gemeinsam mit rund 400 anderen demonstriert der evangelische Pastor am Sonnabend vor dem Bahnhof im Heideort Eschede gegen Neonazis. Das tun sie regelmäßig. In dem Ort bei Celle hat der Landwirt Joachim Nahtz seinen Hof zu einem Treffpunkt der rechten Szene Norddeutschlands gemacht. Diesmal sind mehr Gegendemonstranten gekommen als sonst - auch aus Solidarität mit Manneke und einem weiteren Organisator der Proteste.

Erst vor wenigen Tagen haben der Pastor aus Unterlüß und Klaus Jordan aus Niederohe bei Faßberg Brandsätze vor ihren Häusern entdeckt. Bei den Anschlägen wird ein rechtsradikaler Hintergrund vermutet, der Staatsschutz ermittelt. "Wir stehen hier heute, um deutlich zu machen, wir lassen uns nicht einschüchtern", ruft der Pastor in die Menge. Zu der Demonstration hat ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und anderen Institutionen aufgerufen. Fahnen der Antifa wehen neben Schildern der Kirche mit der Aufschrift "Die Heide blüht lila nicht braun".

Viele hier engagieren sich seit Jahrzehnten. Sie haben mehrfach erfahren, wie es ist, wenn die neuen Nazis in der Region Fuß fassen. Bärbel Dethlefs hat ihr Klapprad dabei, wegen der Arthrose in den Knien, ist sie nicht gut zu Fuß. Die 71-Jährige aus Hermannsburg gehörte zu den ersten, die mit demonstrierten, als in den 1980er und 90er Jahren im Nachbarort Hetendorf ein Zentrum der Rechtsextremen entstand. "Die Antifa hat uns darauf gestoßen", erinnert sie sich. Der vor zwei Jahren an einem Schlaganfall gestorbene rechtsextreme Anwalt Jürgen Rieger richtete in Hetendorf ein Schulungszentrum ein. Das "Heideheim" wurde nach vielen Protesten 1998 vom niedersächsischen Innenminister geschlossen.

Auch Wilfried Manneke engagierte sich gegen das Schulungszentrum, nachdem er 1995 in die Heide kam. 13 Jahre lang war er zuvor Pastor in Südafrika, noch unter dem System der Rassentrennung. "Ich habe erlebt, was eine menschenfeindliche Ideologie anrichten kann. Rassismus spaltet die Gesellschaft", sagt er. Hinzu kam, dass es den Neonazis gelungen war, Jungen aus seiner Gemeinde zu rekrutieren, von denen er einige gerade erst konfirmiert hatte. Gemeinsam mit anderen baute Manneke ein Präventions-Netzwerk auf, um so etwas in Zukunft zu verhindern.

Als der NPD-Funktionär Rieger vor mehr als drei Jahren erneut eine Immobilie im nahe gelegenen Faßberg übernehmen wollte, spornte das den Widerstand an. Rieger hatte versucht, in einer Zwangsversteigerung ein Hotel zu erwerben. Nach juristischem Tauziehen, verhinderte schließlich sein Tod, dass das "Gerhus" in die Hände von Rechtsextremisten fiel. Klaus Jordan initiierte regelmäßige Mahnwachen vor dem Hotel. Schon damals wurden er und seine Lebensgefährtin von Neonazis bedroht. Auch wenn es in der Region inzwischen vier Initiativen gegen Rechtsextremismus gibt, die untereinander vernetzt sind, geht ihm das Engagement nicht weit genug.

Die Demo in Eschede haben der Deutsche Gewerkschaftsbund und der örtliche "Arbeitskreis für Demokratie und Menschenrechte" angemeldet. Der Arbeitskreis wurde 2007 gegründet. Spät finden manche. 1999 geriet Eschede unrühmlich in die Schlagzeilen, als zwei Neonazi-Skinheads einen Einwohner bis zum Tod prügelten. Auf dem Hof Nahtz versammeln sich schon seit etwa 20 Jahren Alt- und Neonazis. "Die Mehrheit der Bevölkerung steht dem sehr passiv gegenüber", sagt Gemeindepastor Christof von Butler. Er engagiert sich im Arbeitskreis. "Manche fragen mich, ob das denn sein muss."

Auf dem Hof Nahtz trifft sich die Nazi-Szene in der Regel dreimal im Jahr zu "Sonnwendfeiern" und zum "Erntefest". Am Sonnabend bleibt es dort jedoch ruhig. Noch bevor die Gegendemonstration mit einer Andacht bei Kerzenschein zu Ende geht, werden dennoch am Bahnhof Pläne für die Sonnenwende im Sommer besprochen. Zwar weiß noch niemand, was dann auf dem Hof Nahtz los sein wird. Feststeht aber: eine Gegendemonstration wird es geben.

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