"Anwälte des Kindes" vertreten Interessen von Jungen und Mädchen vor Familiengerichten - Erste Weiterbildung in Norddeutschland

Nachricht 09. Juni 2011

Osnabrück (epd). Sie sollen Kindern vor Familiengerichten wie Anwälte zur Seite stehen: Als erste Institution in Norddeutschland bildet die Evangelische Familienbildungsstätte Osnabrück "Anwälte des Kindes" aus, kündigte Leiterin Dorothea Jöllenbeck am Donnerstag an. Sie arbeitet dafür mit dem "Weiterbildungsinstitut Verfahrensbeistand" aus Eitorf in Nordrhein-Westfalen zusammen.

Die offiziell als Verfahrensbeistände bezeichneten Anwälte vertreten die Interessen von Kindern in Sorgerechtsstreitigkeiten ihrer Eltern, sagte der Leiter des Instituts, Clemens Lübbersmann. Auch bei Kindeswohlgefährdungen und der Frage, ob das Kind aus einer Familie herausgenommen werden muss, sollten sie die Jungen und Mädchen unterstützen. In Deutschland habe sich die Ansicht, dass Kinder eine eigene Interessenvertretung vor Familiengerichten benötigten, seit etwa zehn Jahren langsam durchgesetzt. Erst seit 2009 seien die Gerichte quasi verpflichtet, Verfahrensbeistände hinzuzuziehen. In angelsächsischen Ländern sei das bereits seit mehr als 20 Jahren üblich.

Die meisten Richter schätzten die Arbeit, durch die sie detaillierte Informationen über die Wünsche der Kinder erhielten. "Wir machen den Kindern klar, dass sie nicht schuldig sind an der Trennung der Eltern und dass sie sich nicht zwischen Mama und Papa entscheiden müssen. Und wir sind offen mit ihnen und besprechen nichts hinter ihrem Rücken", betonte der Institutsleiter. Auch im Gespräch mit den Richtern seien die Verfahrensbeistände anwesend.

Die Juristen entschieden seitdem deutlich differenzierter, weil sie viel mehr auf Feinheiten achten könnten, berichtete Lübbersmann. Die Kinder seien oft regelrecht erleichtert. Die Beistände müssten einem möglichen Vergleich zwischen Gericht und Eltern oder zwischen Gericht und Jugendamt zustimmen. Sie könnten auch gegen ein Urteil Rechtsmittel einlegen.

Verfahrensbeistände arbeiten nach Angaben Lübbersmanns in der Regel frei- und nebenberuflich und erhielten Fallpauschalen zwischen 350 und 550 Euro. Die berufsbegleitende Fortbildung in Osnabrück richte sich an Juristen, Sozialpädagogen, Psychologen, Lehrer und Erzieher. Sie müssten über eine pädagogische oder juristische Grundausbildung verfügen. Die Schulung beginnt im Januar und erstreckt sich über ein Jahr. Bundesweit gebe es lediglich fünf weitere Weiterbildungsinstitute in Frankfurt, Berlin und Bad Boll.

Internet: www.institut-verfahrensbeistand.de, www.ev-fabi-os.de

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9.6.2011