Berichte von der Italien-Reise der VELKD-Kirchenleitung

Nachricht 23. Januar 2011

Catholica-Beauftragter der VELKD referierte über den Stand der ökumenischen Beziehungen

Mailand/Hannover – In Deutschland sind die Kirchen in den letzten Jahren „einen guten Schritt auf dem gemeinsamen Weg weitergekommen“. Darauf hat der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber (Wolfenbüttel), aufmerksam gemacht. In seinem Vortrag zum Thema „Ökumenische Lage und missionarische Herausforderung“ im Rahmen der Dialogveranstaltung des Ökumenischen Kirchenrates von Mailand zur Gebetswoche für die Einheit der Christen nannte Weber als Beispiel die Charta Oecumenica, die eine gemeinsame ökumenische Kirchenethik darstelle. Sie richte sich auch aus auf das Ziel von Frieden und Verständigung zwischen den zahlreichen europäischen Kirchen, Nationen und Religionen. Sie stelle die Selbstverpflichtung der Kirchen zur Vertiefung der ökumenischen Zusammenarbeit dar.

„Es geschieht viel in der geistlichen Ökumene des Lebens. Nur die Wirklichkeit vor Ort ist oft anders“, sagte Landesbischof Weber. Noch immer gebe es Konkurrenz zwischen den Kirchen und Gemeinschaften, noch immer breite sich klammheimliche Freude aus, wenn es der anderen Kirche nicht so gut gehe. Der Catholica-Beauftragte wörtlich: „Ökumenisches Denken und Handeln sind keine Selbstverständlichkeit. Ehe Gott aus dem Getrennten Eines werden lässt, braucht es unser Mühen, unsere Bereitschaft das gemeinsam zu tun, was zu tun nötig ist.“ Hierzu gehörten seiner Meinung nach zum Beispiel neue Anstrengungen im Blick auf die Trägerschaft von Sozialstationen, die Nutzung kirchlicher Gebäude, den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und auch die Arbeit der Kindertagestätten, gemeinsame Arbeit mit der Bibel, ökumenische Andachten und Gottesdienste. „Die Suche danach, wie wir Christen gemeinsam Zeugnis unseres Glaubens ablegen können, ist mehr als geboten.“

Verglichen mit der langen und schmerzvollen Geschichte der kirchlichen Trennungen und Spaltungen sei die Ökumene ein sehr junges Gewächs. Gerade mal seit gut fünfzig Jahren bemühten sich die lutherische und die römisch-katholische Kirche, die Einheit der Kirche Jesu Christi wiederzugewinnen und den Skandal der Trennung zu überwinden. Viel Gutes und Segensreiches sei seitdem bereits erreicht und ein vorzeigbarer Weg miteinander“ zurückgelegt worden. „Heute haben wir ein gutes, vertrauensvolles Miteinander entwickelt, wenn es um gemeinsame Trauungen geht und wir sprechen sogar von konfessions-verbindenden Ehen. Ökumenische Bibelwochen, Einweihungen von Feuerwehrwachen unter ökumenischer Beteiligung, Ökumenische Kinderbibeltage, ökumenischer Weltgebetstag, ein herzliches Grußwort des katholischen Geistlichen zur Amtseinführung seines neues evangelischen Kollegen – alles vor knapp 500 Jahre undenkbar und nun innerhalb von ein paar Jahrzehnten eine große Selbstverständlichkeit! . Das dürfen wir nicht vergessen.“

Auch auf dem Gebiet der theologischen Aufarbeitung der Unterschiede in Glaubensfragen sei viel passiert. Allerdings gebe es „noch viel zu klären“. Weil so viel gelungen sei, müsse auch das Trennende offen angesprochen werden. „Die Einheit der Kirche ist für uns letztlich Gottes Werk und kann niemals durch die Kirchen selbst geschaffen werden. Wenn Kirchen erkennen, dass zwischen ihnen ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums besteht, dann müssen diese dem dadurch Rechnung tragen, dass sie untereinander Kirchengemeinschaft an Wort und Sakrament erklären und praktizieren. Daher ist die VELKD der Überzeugung: Selbst noch vorhandene Differenzen zwischen Kirchen müssen nicht ausschließen, dass die Glieder solcher Kirchen zur Teilnahme an Wort und Sakrament der eigenen Kirche eingeladen werden. Dies gilt auch beim Abendmahl: Christus lädt ein, nicht eine einzelne Kirche. Und seine Einladung wiegt mehr als unsere theologischen Differenzen und kirchenrechtlichen Bestimmungen“,! so Landesbischof Weber.

Aus lutherischer Sicht sei es an der Zeit, einen Prozess zu einer Gemeinsamen Erklärung zum Abendmahl/zur Eucharistie in Gang zu setzen – analog zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre aus dem Jahre 1999. Eine Gemeinsame Erklärung zum Abendmahl könne zeigen, dass der Streit „im Wesentlichen“ behoben sei und eine „grundsätzliche Übereinstimmung“ bestehe.

Weitere Informationen zur Italienreise der Kirchenleitung: www.velkd.de

Freitag, 21. Januar 2011
Udo Hahn
Pressesprecher der VELKD

Leitender Bischof der VELKD sprach über die Herausforderung des religiösen und kulturellen Pluralismus
 
Mailand/Hannover – Der religiöse und kulturelle Pluralismus stellt nach den Worten des Leitenden Bischofs der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Dr. Johannes Friedrich (München), sowohl für die Politik wie für die christlichen Kirchen Europas eine „enorme Herausforderung“ dar. In einem Vortrag im Rahmen eines Interkulturellen Abends in der Chiesa Cristiana Protestante di Milano zusammen mit der Gemeinschaft Sant’Egidio sagte Friedrich, in dieser Situation „haben wir jedem Versuch der politischen Instrumentalisierung der Religion entgegenzutreten“. Dies gelte auch im Blick auf die in Europa „grassierende Islamfeindlichkeit“, die „letztlich eine Angst vor dem Unbekannten“ darstelle.
 
Der Vortrag stand unter dem Thema „Der religiöse und kulturelle Pluralismus – Eine Herausforderung für den sozialen Zusammenhalt in Europa“. Verschiedene Sprachen und Kulturen, verschiedene geschichtliche Erfahrungen in einer Gesellschaft seien eine Bereicherung. „Aber ethnische, sprachliche, kulturelle und nicht zuletzt religiöse Unterschiede in einer Gesellschaft enthalten auch Konfliktpotentiale, die zu leugnen naiv wäre“, so Friedrich. „Deshalb gilt es, mit Klugheit Differenzen zuzulassen.“ So habe die Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland das Festhalten an einer deutschen Minderheitskultur im Ausland – etwa in Osteuropa, ausdrücklich gefördert.
 
Einreiseberechtigt in Deutschland und automatisch deutsche Staatsbürger seien bis heute auch Menschen, die weder in Deutschland geboren seien, noch jemals dort gelebt, die aber im Ausland am deutschen Volkstum festgehalten hätten. „Warum, so frage ich, soll es gut sein, wenn Deutsche im Ausland an der deutschen Kultur fe! sthalten, aber schlecht, wenn Türken in Deutschland an der türkischen Kultur festhalten? Voraussetzung dafür, dass Differenz zugelassen werden kann, ist nach meiner Überzeugung allerdings vor allem zweierlei: einmal die Anerkennung der für alle geltenden Gesetze in dem Land, in dem man leben will, zum anderen der gleichberechtigte Zugang aller zu den Bildungschancen der Gesellschaft – was bedeutet, dass man neben der Muttersprache die Landessprache in Wort und Schrift beherrschen muss.“ Im Übrigen werde die Integration durch die gesellschaftliche Anerkennung der Herkunftssprachen und -kulturen gefördert, während die Forderung nach Gleichheit und kultureller oder religiöser Einheitlichkeit sowohl dem Geist unserer Verfassung wie dem Integrationsgedanken widerspreche.
 
„Das Zusammenleben in einer pluralistischen Welt verlangt nach der Klärung der eigenen Identität“, hob der Leitende Bischof hervor. „Unklare Identität aber, religiöse und kulturelle Verunsicherung, führt zu Abstoßungsreaktionen, möglicherweise auch zu Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie.“ Es sei auffällig, dass Fragen wie „Soll der Islam in Deutschland verboten werden?“ oder „Soll bei Muslimen die freie Religionsausübung eingeschränkt werden?“ bei Meinungsumfragen in Ostdeutschland eine höhere Quote an Zustimmung bekämen als in Westdeutschland – wobei die Zustimmung auch im Westen erschreckend hoch sei. „Dahinter steckt, dass in einer Gesellschaft, der die eigene religiöse Tradition fremd geworden ist, eine fremde und engagiert praktizierte Religiosität bedrohlich wirkt. Gerade deshalb trete ich für den interreligiösen Dialog ein.“ Der Staat muss nach Friedrichs Worten „religiös neutral bleiben und sich aus der Debatte um die Inhalte der Religion heraushalten“.
 
Dennoch  sei der interreligiöse Dialog, den Christen mit Muslimen, Buddhisten, Hindus führen, nicht nur ein kirchliches Anliegen: „Er ist zugleich ein Dienst am Frieden und am Zusammenhalt in der Gesellschaft. Es ist der Auftrag der Christen, ihr ureigner Beitrag zum Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft, dass sie ihre eigene religiöse Identität immer neu bestimmen – auf den Wahrheitsanspruch des eigenen Glaubens und der eigenen Religion nicht verzichtend, aber den anderen Religionen unpolemisch, freundlich, offen und dialogisch gegenübertretend.“ Hier liege wohl der Schlüssel, wie man in Europa der Herausforderung des religiösen und kulturellen Pluralismus begegnen könne. „Wer um die eigene christliche Identität weiß, in seiner Tradition verwurzelt ist und die Vielfalt des Christentums aus eigener Anschauung kennt, kann auch offen sein für das Andere, mitunter Fremde anderer Religionen.“
 
Weitere Informationen zur Italienreise der Kirchenleitung: www.velkd.de

Donnerstag, 20. Januar 2011
Udo Hahn
Pressesprecher der VELKD