Hannover (epd). Der hannoversche Diakonie-Direktor Christoph Künkel warnt vor Ungerechtigkeiten bei der Reform der Pflegeversicherung. "Die Frage der Kostenreduktion darf nicht auf dem Rücken der zu Pflegenden und der Pflegekräfte ausgetragen werden", sagte er am Mittwoch im epd-Gespräch. In absehbarer Zeit fehlten bundesweit rund 250.000 Pflegekräfte. "Schon jetzt merken wir in unseren Einrichtungen, dass es immer schwieriger wird, Fachkräfte zu finden, besonders auf dem Land." Dabei sichere die Diakonie einen Beruf mit Zukunft.
Dass im Sommer ein Mindestlohn von 8,50 Euro für den Westen Deutschlands eingeführt wurde, sei positiv, sagte Künkel. Jetzt müsse darauf geachtet werden, dass dieser Lohn auch wirklich angewendet werde. "Ich würde mich freuen, wenn Herr Rösler und Frau von der Leyen zu erkennen geben, wie der Mindestlohn in der Pflege kontrolliert wird."
Dies sei vor allem im Blick auf die Diskussion um die Anwerbung ausländischer Fachkräfte wichtig, betonte der Diakonie-Direktor. Er habe ein legales Angebot einer polnischen Firma auf den Tisch bekommen. Danach hätte er zu polnischen Tarifen und ohne in Deutschland Sozialabgaben leisten zu müssen, für knapp fünf Euro Stundenlohn Pflegekräfte anheuern können. "Hier ist eine Regelungslücke."
Auch in Einrichtungen der Diakonie der hannoverschen Landeskirche arbeiteten bereits Pflegekräfte aus dem Ausland. "Wir sind froh und dankbar für jeden, der sich in diesem verantwortungsvollen und menschenzugewandten Beruf engagiert", sagte Künkel. "Er muss aber Löhne kriegen, die den deutschen Tarifen entsprechen und der schweren Arbeit angemessen sind. Beides geschieht in der Diakonie."
Künkel warnte zudem davor, die Grundstandards für gute Pflege aus Kostengründen zu senken. "Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, was die Pflege wert ist." Es dürfe keine Billigpflege für viele geben, zu der sich die Vermögenden dann Leistungen zukaufen könnten. Vieles deute jedoch darauf hin, dass bei der Reform eine solche "Entsolidarisierung der Bevölkerung" billigend in Kauf genommen werde.
"Wir machen uns stark dafür, dass die Standards der Pflege gleich bleiben und die Würde des zu pflegenden Menschen gewahrt wird", unterstrich Künkel. Unter anderem müsse verstärkt in alternative Wohnkonzepte investiert werden. Bei der Betreuung von demenzkranken Menschen habe man sehr gute Erfahrungen mit Wohngemeinschaften gemacht, in denen sich die Menschen in den unterschiedlichen Phasen der Erkrankung gegenseitig unterstützen könnten.
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29.12.2010