Vatikanstadt/Genf, 16. Dezember 2010 (LWI) – Der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Dr. Munib A. Younan, hat Papst Benedikt XVI eingeladen, mit der lutherischen Kirchengemeinschaft zusammenzuarbeiten, um den 500. Jahrestag des Beginns der protestantischen Reformation ökumenisch verantwortlich zu gestalten.
„Für uns ist die befreiende Kraft des Evangeliums, die die Reformatoren erneut verkündeten, voller Freude und wir werden dies feiern“, sagte Younan in seiner Botschaft an den Papst. Er führte eine siebenköpfige Delegation an, die für eine Privataudienz bei Papst Benedikt XVI zu Besuch war. Er betonte die Notwendigkeit, sowohl die schädigenden Aspekte der Reformation als auch die Fortschritte in der ökumenischen Bewegung anzuerkennen.
„Aber diese ökumenische Verantwortung können wir nicht allein und ohne Ihre Hilfe erreichen. […] Wir laden Sie daher ein, in den Vorbereitungen für dieses Jubiläum mit uns zusammenzuarbeiten, so dass wir 2017 dem Teilen des Brotes des Lebens ein Stückchen näher gekommen sind“, sagte Younan.
In seinen Grussworten an die LWB-Delegation brachte Papst Benedikt XVI seine Dankbarkeit für „die vielen bedeutenden Früchte“ zum Ausdruck, die aus den jahrzehntelangen Gesprächen zwischen LutheranerInnen und römischen KatholikInnen hervorgegangen seien. Er sagte, „Barrieren konnten langsam und mit viel Geduld abgebaut und sichtbare Einheit durch theologische Dialoge und praktische Zusammenarbeit insbesondere auf lokaler Ebene gefördert werden“. In den Jahren bis zum nächsten Reformationsjubiläum sind „Katholiken und Katholikinnen sowie Lutheranerinnen und Lutheraner aufgerufen, erneut darüber nachzudenken, wohin unsere Reise zur Einheit uns geführt hat, und Gott um Führung und Hilfe für die Zukunft anzuflehen“, sagte der Papst.
Der Papst betonte, dass die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE), deren zehnter Jahrestag 2009 gefeiert wurde, „ein entscheidender Schritt auf dem schwierigen Weg zur Wiederherstellung einer vollen Einheit von Christen und Christinnen und ein Impuls für weitere ökumenische Gespräche war“.
Er wiederholte seine Erwartung, dass die engen Kontakte und intensiven Dialoge, die die ökumenischen Beziehungen zwischen der katholischen und der lutherischen Kirche bisher prägten, weiterhin reiche Früchte tragen werden.
Durch die Mitglieder der Delegation waren alle LWB-Regionen beim Papstbesuch vertreten. Mitglieder der Delegation waren neben Younan LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge; der Leitende Bischof Alex G. Malasusa (Tansania), LWB-Vizepräsident für die Region Afrika; Bischof Tamás Fabiny (Ungarn), Vizepräsident für die Region Mittel- und Osteuropa und die Leitende Bischöfin Helga Haugland Byfuglien (Norwegen), Vizepräsidentin für die Region Nordische Länder sowie LWB-Mitarbeitende. Ausserdem nahmen Kurt Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen (PCPCU), und weitere Mitarbeitende des Vatikan an der Privataudienz teil.
In seiner Botschaft an Papst Benedikt bekräftigte Younan das Engagement des LWB, „an diesem Tisch des Herrn, den Luther als ‚summa evangelii’ verstand, näher zusammenzurücken“. Der LWB-Präsident betonte, dass es zwar wichtig sei, sich „über jeden kleinen Schritt [zu] freuen, der uns einander näher bringt, [dass] wir uns mit diesen kleinen Schritten [aber] nicht zufrieden geben [wollen]. Unsere Hoffnung ist weiterhin gross – die Hoffnung auf die sichtbare Einheit des Leibes Christi und die Hoffnung auf die Abendmahlsgemeinschaft, die ein so wichtiger Ausdruck dieser Einheit ist.“
Younan übergab dem Papst ein Geschenk aus Bethlehem: eine Schnitzarbeit des letzten Abendmahls. Zu dem Bild sagte er: „Jede und jeder von uns kann Zeugnis geben von der Bedeutung dieses sakramentalen Mahls als Nahrung für unser eigenes christliches Leben. Jede und jeder von uns kennt die Sehnsucht nach dem Zeitpunkt, an dem wir dieses Fest gemeinsam werden feiern können.“
Younan wies darauf hin, dass der LWB während seiner Elften Vollversammlung im Juli 2010 in Stuttgart (Deutschland) einen wichtigen Schritt für die Versöhnung der ChristInnen gemacht habe als er die MennonitInnen um Vergebung bat für die Verfolgung von TäuferInnen im 16. Jahrhundert.
Während der Vorbereitungen zu diesem Entschluss sei sich der LWB bewusst gewesen, so Younan, dass andere Traditionen – einschliesslich der römisch-katholischen – dieses Erbe teilten. Gemeinsam mit anderen ökumenischen Gästen hätten VertreterInnen der römisch-katholischen Kirche während der LWB-Vollversammlung feierlich ihre Solidarität mit dem Beschluss bekundet.
„Wir glauben, dass wir diesen Beschluss im Namen des ganzen Leibes Christi gefasst haben und wir beten, dass dieser Geist der Busse, der Versöhnung und der Erneuerung weiter unter uns wächst“, sagte Younan weiter.
Younan, der Oberhaupt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land ist, erklärte, dass KatholikInnen und LutheranerInnen eine gemeinsame Vision von einen gerechten Frieden im Nahen Osten hätten und eine Zweistaatenlösung mit einem geteilten Jerusalem unterstützten. Er dankte dem Papst für seine moralische Führung und für die Aufdeckung der Ungerechtigkeit und der Idolatrien der weltweiten Finanzkrise – ein Thema, für das sich auch der LWB insbesondere in seiner Anwaltschaftsarbeit gegen illegitime Auslandsschulden engagiert. Mit Blick auf beide Themen mahnte er zu engerer Zusammenarbeit.
„Unser Zeugnis wird stärker sein wenn wir gemeinsam an diesen Problemen arbeiten. Daher freuen wir uns auf vielfältige Zusammenarbeit mit unseren katholischen Schwestern und Brüdern auf allen Ebenen – lokal und international“, sagte Younan.
Der LWB-Präsident erklärte, dass er und der Generalsekretär die neue Führung der weltweiten lutherischen Gemeinschaft seien. Younan wurde von der Vollversammlung in Stuttgart im Juli 2010 gewählt und Junge trat sein Amt Anfang November an.
Die Privataudienz beim Papst würdige die bemerkenswerten Entwicklungen der letzten Jahre in der Beziehung der beiden Kirchen und sei ein Zeichen der Hoffnung für die zukünftigen Beziehungen, so Younan.
LutheranerInnen freuten sich, dass zwischen den beiden Kirchen ein neues Mass an theologischem Verständnis und Verständigung erreicht wurde, sagte Younan und hob insbesondere die „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ hervor.
„Wir selbst haben erlebt, wie sich das Klima der Beziehungen zwischen Lutheranern und Lutheranerinnen auf der einen und Katholiken und Katholikinnen auf der anderen Seite erheblich verbessert hat – und dies ist eine gute Klimaveränderung! Überall in der Welt befinden sich unsere Kirchen in einer neuen Ökologie der Beziehungen“, schloss Younan.