Hannover (epd). Der hannoversche Diakoniedirektor Christoph Künkel hat den Abschlussbericht des bundesweiten Runden Tisches Heimerziehung begrüßt. Jetzt komme es darauf an, dass den früheren Heimkindern schnell und ohne zu große bürokratische Hürden geholfen werde, sagte Künkel am Montag dem epd in Hannover. Ob Entschädigungen gezahlt werden, müsse dabei immer im Sinne der Menschen entschieden werden, die gelitten hätten: "Die Beweislast in die Hände der Heimkinder zu legen, wäre eine neue Demütigung."
Der Runde Tisch hatte sich am vergangenen Freitag darauf geeinigt, einen 120 Millionen Euro umfassenden Entschädigungsfonds aufzulegen, der zu gleichen Teilen vom Bund, den Bundesländern und den Kirchen finanziert wird. 100 Millionen Euro stehen für Menschen bereit, die bis heute materiell, körperlich oder psychisch unter Folgeschäden der Heimerziehung leiden. 20 Millionen Euro gehen in einen Rentenfonds.
Mit dem Geld sollen Heimkinder entschädigt werden, die von den 50er Jahren an bis in die 70er Jahre unter teils brutalen Erziehungsmethoden in Kinder- und Jugendheimen kirchlicher, staatlicher sowie privater Träger gelitten haben. "Das Leid, das geschehen ist, ist unermesslich hoch. Wer einmal mit einem der früheren Heimkinder gesprochen hat, vergisst das nie", sagte Künkel. "Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, alles zu tun, damit diesen Menschen geholfen wird."
Auf dem Gebiet der hannoverschen Landeskirche hat es in dieser Zeit etwa 60 Erziehungsheime gegeben. Neben der finanziellen Entschädigung seien auch Angebote wie Gesprächskreise zur Aufarbeitung, Traumatherapie oder Seelsorge wichtig, die die hannoversche Landeskirche seit längerem anbiete, sagte Künkel. Die Landeskirche und ihre Diakonie hatten vor mehr als einem Jahr als erste in Deutschland die früheren Heimkinder öffentlich um Vergebung gebeten und ihre Verantwortung für deren Schicksal anerkannt.
Künkel bekräftigte die Bereitschaft der Diakonie, sich an dem Entschädigungsfonds zu beteiligen. Der Diakoniedirektor strich zudem das Engagement des Landes Niedersachsen heraus. Es sei vorbildlich, dass Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) wie bereits ihre Vorgängerin den landesweiten Runden Tisch zur Heimerziehung weiterführen wolle, um das Schicksal der Heimkinder aufzuarbeiten, Verantwortlichkeiten festzustellen und vor Ort Hilfen zu organisieren.
Etwa 800.000 Kinder und Jugendliche wuchsen nach Angaben des Runden Tisches in den 50er und 60er Jahren bundesweit in kirchlichen und staatlichen Heimen auf. Der Runde Tisch Heimerziehung hatte im Februar 2009 seine Arbeit aufgenommen. Er beriet unabhängig vom Runden Tisch zu Fällen sexuellen Missbrauchs, der im Frühjahr dieses Jahres von der Bundesregierung ins Leben gerufen worden war. Über die Umsetzung der Empfehlungen entscheiden der Bundestag und die Parlamente der westdeutschen Bundesländer.