Kirchlicher Sozialexperte kritisiert soziale Ungleichheit

Nachricht 12. Dezember 2010

Hannover (epd). Der kirchliche Sozialexperte Gerhard Wegner hat eine Politik gefordert, die auf mehr Gleichheit in der Gesellschaft zielt. "Die Verteilung des Wohlstandes läuft aus dem Ruder", sagte der Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Freitag bei einem Expertenpodium "Fair teilen statt sozial spalten" in Hannover. In reichen Gesellschaften wie Deutschland seien ausreichend Ressourcen vorhanden, um Armut weitgehend zu vermeiden.

Wenn sie dennoch auftrete, könne dies nur auf gesellschaftliche Ungleichheit zurückgeführt werden. "Unser Land war in der Frage der Verteilung schon mal wesentlich besser aufgestellt", sagte Wegner. In den 1970er und 1980er Jahren sei die Gleichheit der Möglichkeiten größer gewesen. Das habe an der Tarifpolitik und einem sehr offenen Bildungssystem gelegen. "Seitdem haben sich die Fenster der Gleichheit wieder geschlossen."

Wegner sieht die primäre Ursache dafür im Wachstum des Niedriglohnsektors in Deutschland: "Dies ist politisch so gewollt gewesen", unterstrich der Theologe. Mittlerweile seien rund 6,5 Millionen Menschen Geringverdiener. Die Aufstiegschancen in diesem Sektor seien minimal. Armut werde dadurch nicht nur nicht verhindert. Sie werde verstetigt. Die Lohnabwärtsspirale müsse gestoppt werden: "Hierfür ist die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns unabdingbar."

Auch das Bildungssystem sei für die Chancenungleichheit mit verantwortlich. Begabungen bei sozial schwächeren Kindern würden zu wenig erkannt und gefördert, sagte Wegner. Armutsprävention und eine gezielte Lernförderung müssten schon in der Krippe einsetzen: "Entscheidend ist, ein Klima der Gleichheit unter den Kindern zu fördern."

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11.12.2010