Von Karen Miether (epd)
Gorleben (epd). Von enttäuschten Hoffnungen und schweren Versäumnissen ist die Rede. Auch mit einer ganzseitigen Anzeige in mehreren niedersächsischen Tageszeitungen, kann Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Menschen im Wendland am Donnerstag nicht von seiner Dialogbereitschaft überzeugen. Anstatt bei seinem Gorleben-Besuch das Gespräch mit dem Minister zu suchen, treten Bürgerinitiativen, Kommunalpolitiker, Kirchenvertreter und Abgeordnete der Landtagsopposition im nahen Trebel vor die Presse. Ihr Tenor lautet passend zum verschneiten Tag: "Wir zeigen Röttgen die kalte Schulter."
Noch am Vortag habe Röttgen bei ihr angerufen, berichtet die Europa-Abgeordnete der Grünen, Rebecca Harms aus dem Wendland. Er habe herausfinden wollen, warum die Reaktion auf seinen Besuch so kontrovers sei. Harms spricht von einer "echten, tiefen Enttäuschung, die dabei mitschwingt". Viele hätten zunächst Hoffnungen in den Minister gesetzt, der sich atomkritisch gegeben habe.
Nach den Beschlüssen zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke und der Wiederaufnahme der Erkundungen des Salzstocks Gorleben als Atommüllendlager komme jetzt Röttgens Gesprächsangebot zu spät, sind sich seine Kritiker einig. Der Minister wollte eigentlich unter anderem mit Lokalpolitikern und der Anti-Atom-Bewegung reden. "Wir halten das für eine mediale Inszenierung und möchten uns nicht vereinnahmen lassen", begründet Kerstin Rudek von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, warum diese ein Treffen ablehnte.
Der Lüchow-Dannenberger Kreistag habe Röttgen schon im Juni zu einer Sitzung eingeladen, sagt der stellvertretende Landrat Martin Donat (Grüne Liste Wendland). "Alle anderen Umweltminister haben vor wesentlichen Entscheidungen den Dialog gesucht." Boris von dem Bussche von der FDP-Fraktion im Kreistag ergänzt: "Wir sind schockiert über das Vorgehen Röttgens." Auch Oppositionspolitiker von der SPD, den Grünen und der Linken im Landtag sind durch den Schnee gereist, um in die Kritik einzustimmen.
Der evangelische Superintendent Stephan Wichert-von Holten (Lüchow-Dannenberg) unterstreicht, hochrangige Kirchenvertreter hätten sich ebenfalls vergeblich um ein Treffen mit Röttgen bemüht. "Man muss von einem Dialogabbruch der neuen Regierung sprechen." Wichert-von Holten gehörte zu den wenigen, die im Laufe des Tages doch noch mit Röttgen reden wollten. Auf dem Programm stand ein nicht-öffentliches Gespräch mit Klägern gegen die weitere Erkundung des Salzstocks Gorleben im Gartower Schloss. Dieses Gespräch leite jedoch nicht den Dialog ein, der längst notwendig gewesen wäre, betonte der Superintendent. "Das heute ist ein Besuch, mehr nicht."
Das Winterchaos hätte diesen Besuch fast noch verhindert. Statt wie geplant, mit dem Hubschrauber zu kommen, muss Röttgen auf Zug und Auto umsteigen. Doch nicht nur der Schnee sorgt für eisige Stimmung. Von einer Region, die zwischen Protest und Zustimmung zerrissen ist, schreibt Röttgen in seiner Zeitungsanzeige und verweist auf Narben, die der Konflikt zurückgelassen habe. Matthias Edler von Greenpeace kommentiert das mit den Worten: "Sie, Herr Röttgen, haben den alten Narben neue Wunden hinzugefügt."