Pressemitteilungen von der EKD-Synode (7.11.2010)

Nachricht 07. November 2010

Kirche als Vorbild in Reformfähigkeit
Katrin Göring-Eckardt hält Präsidiumsbericht vor der EKD-Synode
 
Die evangelische Kirche kann Vorbild in Reformfähigkeit sein, so Katrin Göring-Eckardt: „Machen wir es doch den anderen vor, den Renten-, Wehrpflicht-, Gesundheits- und Sonst-was-Reformern. Machen wir vor, wie das geht, Reform – und doch man selbst bleiben.“ In ihrem Bericht vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die bis zum 10. November in Hannover tagt, erklärte die Synoden-Präses am Sonntag, mit dem Reformprozess habe ein „nachhaltiges Wirtschaften“ in der Kirche eingesetzt. „Viele Jahre haben wir einfach nur Holz geschlagen, ohne aufzuforsten, weil es ja immer so war. Aus dem Vorhandenen rausgeholt, was zu holen war, alles immer so gelassen und erstaunt auf die größer werdenden gerodeten Flächen geschaut. Mit dem Reformprozess hat das Aufforsten, das nachhaltige Wirtschaften begonnen.“
 
Katrin Göring-Eckardt regte an, den Reformprozess stärker mit der Reformationsdekade bis 2017 zu verbinden, die die Jahre bis zum 500. Jubiläum von Luthers Thesenanschlag in Wittenberg mit jährlichen Themenschwerpunkten verbindet. „Mit der Reformationsdekade haben wir die wunderbare Chance, den Reformprozess als Weg zum Reformationsjubiläum zu gestalten. Die Reform also nicht nur in Strukturen zu denken, sondern inhaltlich zu füllen und das Reformationsjubiläum selbstkritisch und veränderungsbereit vorzubereiten. Wir wollen ja nicht uns selbst feiern, sondern wir wollen das Evangelium feiern und eine Kirche sein, die dieses Evangelium von der Freiheit feiert.“
 
Alle Menschen in der evangelischen Kirche seien eingeladen, „sich auf die Suche nach Vergewisserung zu begeben darüber, was uns als Evangelische trägt und was uns in der Zukunft tragen wird.“ Selber theologisch sprach- und auskunftsfähig zu werden und das Priestertum aller Getauften ernst zu nehmen und nicht an andere zu delegieren, „macht Mühe und ist wunderbar.“ Dabei sei jeder in besonderer Weise gefragt: „Vielleicht sind wir ja so etwas wie individuelle Leuchtfeuer, weil wir, egal ob im geistlichen Beruf, im kirchlichen Dienst, im weltlichen Tun oder ganz einfach in unserem Alltag, Leuchtfeuer theologischer Begeisterung sein können in einer Welt, die sich nach Orientierung sehnt.“
 
Hannover, 7. November 2010
Pressestelle der EKD
Silke Römhild
 

 ***

„Meinen Frieden gebe ich euch“
3. Tagung der 11. Synode der EKD mit Gottesdienst eröffnet
 
Mit einem festlichen Gottesdienst wurde die 3. Tagung der 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Marktkirche zu  Hannover eröffnet. Der hannoversche Bischofsvikar, Landessuperintendent Hans-Hermann Jantzen, legte seiner Predigt einen Abschnitt aus dem 14. Kapitel des Johannesevangeliums zugrunde: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“
 
Dieses Wort, so Jantzen, sei mehr als ein „aufmunterndes Auf-die-Schulter-Klopfen“, sondern „tröstliche Geistesgegenwart“. Wo der Geist Jesu Christi wirke, so Jantzen weiter, breite sich der Friede Gottes aus und werde „Übereinstimmung mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen, mit Gott“ geschenkt. Auch wenn dieser Friede erst in der neuen Welt Gottes vollendet sein wird, so Jantzen, sei er nicht weltfremd. „In der Welt habt ihr Angst", sage Jesus an anderer Stelle im Johannesevangelium. Gerade darum lasse Jesus uns seinen Frieden, „damit uns die Angst nicht beherrscht.“
 
Jantzen, der bis zur Neuwahl eines neuen Landesbischofs Ende November leitender Geistlicher der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers ist, widmete sich in seiner Predigt drängenden Fragen und Problemen der Zeit. So erwähnte er neben dem Afghanistankonflikt und dem Thema Integration in Deutschland auch den Castor-Transport, der dieser Tage wieder von Le Hague nach Gorleben unterwegs sei und die Proteste vieler Menschen dagegen. Jantzen mahnte: „Die wirtschaftlichen Interessen der Energiekonzerne, die bereits getätigten Milliardeninvestitionen dürfen nicht der Maßstab für politische Entscheidungen sein, sondern das, was lebensdienlich und menschengerecht ist.“ Solange dies nicht gewährleistet sei, so Jantzen, werde in Gorleben weiter gebetet in dem Vertrauen auf das Wort Jesu: „Meinen Frieden gebe ich euch – nicht wie die Welt gibt.“
Diese Zusage Jesu sei heute weltweit sehr nötig, denn immer noch versetzten kriegerische Konflikte Menschen in vielen Teilen der Welt in Angst und Schrecken. Deshalb, so der Bischofsvikar abschließend, sei es „unsere Aufgabe als Christen und als Kirchen, das Bewusstsein für den umfassenden Frieden Christi wach zu halten – „in Gottesdienst und Predigt, in Diakonie und politischer Streitkultur.“
 
Hannover, 07. November 2010
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick
 

***

„Geheiligt werde dein Name“
Ratsbericht: Nikolaus Schneider vor der 11. EKD-Synode in Hannover


Der amtierende Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hat den mündlichen Ratsbericht am heutigen Sonntag vor der Synode der EKD eingebracht. Schneider stellte seinen Bericht unter die Überschrift der ersten Bitte des Vaterunsers: „Geheiligt werde dein Name“.

Anknüpfend an das Wort aus Psalm 90: „Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit“, sagte Schneider: „Wir heiligen Gott in der nüchternen Anerkennung der Zeitlichkeit und Zeitbedingtheit allen menschlichen Denkens, Erkennens und Entscheidens.“ Vor allem die „konkrete Anwendung biblischer Grundnormen“ geschehe immer im Modus zeitgebundener Einsicht. Sie sei nicht frei von „interessegeleiteten Urteilen, auch nicht von Irrtümern und Fehldeutungen“. Dieses wiederum führe „zu uneinheitlichen ethischen Urteilen“ innerhalb der evangelischen Kirche. „Diese Vielstimmigkeit“, so Schneider weiter, und „die damit einhergehenden Irritationen sowie die oft mühsamen Verständigungen in den Kirchen der Reformation sind der Preis, den wir für den Verzicht auf ein päpstliches Lehramt zahlen.“

Jedoch betonte der Ratsvorsitzende, dass die „Pluralität der Stimmen“ nicht mit „Beliebigkeit“ verwechselt werden dürfe. Sie bleibe immer bezogen auf „die Grundnorm der Heiligen Schrift und ihre rechte Auslegung“ und sei insofern „Streit um die Wahrheit“. Deshalb sollten sich auch Protestanten nicht „im Dissens einrichten“. Je weiter man sich aber „auf das Feld der politischen Umsetzung“ begebe, desto geringer sei der „Grad der Eindeutigkeit“, mit dem „konkrete Beiträge oder Leistungen biblisch gefordert“ seien. Es sei dann, so Schneider, ein „Gebot der Fairness, offen auszusprechen, dass es christliche Geschwister gibt, die mit guten Gründen eine andere Sicht vertreten.“
Ausgehend von dem Gottesnamen „Der Heilige“ sagte Schneider, dass sich durch die ganze Bibel der Gedanke ziehe, dass Gottes Heiligkeit auf die Welt übergreife. In diesem Zusammenhang bezeichnete er das Sonntagsurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Dezember 2009 als einen „Meilenstein in dem Bestreben, die prinzipielle Arbeitsruhe am Sonntag als Regel gesellschaftlichen Lebens wieder fester zu verankern.“ Aber, so Schneider weiter, „die Lobby der grenzenlosen Ladenöffnung schläft noch schlummert nicht“, sie teste vielmehr alle Spielräume aus. Die Kirche müsse wachsam sein, dass es am Ende nicht „ärger sein wird als zuvor“.

Ausgehend von dem Gottesnamen „Der Schöpfer“ sagte Schneider zur Frage der Kernenergie: „Wir brauchen eine Energiepolitik, die nicht wieder neu auf Atomkraft setzt.“ Die Verlängerung der Laufzeit der Atomreaktoren sehe er deshalb genauso kritisch wie die ungeklärte Frage der Endlagerung. Denn die Dauer der Strahlung der einzulagernden Brennelemente übersteige „das dem Menschen gegebene Maß“

In Bezug auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan erinnerte Nikolaus Schneider an die Friedensdenkschrift der EKD aus dem Jahre 2007, die für jeden militärischen Einsatz „klare Zielsetzungen, ein umfassendes Konzept und eine Ausstiegsstrategie“ postuliere. Deren Fehlen stelle die ethische Legitimation des Einsatzes in Afghanistan zurzeit in Frage.

Zu der dem Menschen von Gott geschenkten Verantwortung gehöre auch ihre Wahrnehmung in der Anfangsphase des menschlichen Lebens. Deshalb sei es zu kurz geschlossen, wenn mit absoluter Gewissheit postuliert werde, dass Geburtenverhütung, pränatale Diagnostik, künstliche Befruchtung und die Präimplantationsdiagnostk (PID) „Gott ins Handwerk pfuschen“ würden und das Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer negierten. In diesem Zusammenhang zitierte Schneider eine Kundgebung der EKD-Synode aus dem Jahre 1987, in der es heißt: „Der Zuwachs an Wissen und Können und die natürlichen Lebensbedingungen stehen nicht im Widerspruch zueinander, solange der Mensch den rechten Gebrauch von seinen Möglichkeiten macht.“

Schneider sagte in diesem Zusammenhang, er habe seine Sympathie für Eltern geäußert, die an schweren Erbkrankheiten litten, und die in ihrer Not PID als Hilfe ansähen. Ihm sei allerdings bewusst, wie schwer es sein würde, Grenzen konkret festzuschreiben und in der Praxis durchzuhalten. Mit Nachdruck hielt der Ratsvorsitzende fest, dass allen Tendenzen gewehrt werden müsse, „Leben mit ,gesund‘ und ,behindert“ zu identifizieren. Ohne uneingeschränkte Integration von Menschen mit Behinderungen könne die Kirche nicht für sich in Anspruch nehmen, Leib Christi zu sein. Der Leib Christi sei das biblische Bild dafür, dass wir alle Gaben und Grenzen haben und aufeinander angewiesen sind.

Zum Runden Tisch Heimerziehung führte der Ratsvorsitzende aus, es sei eine wichtige Erkenntnis, dass die Misshandlung vieler „Heimkinder“ in den 50-er und 60-er Jahren nicht einfach individuellen Übergriffen zuzuschreiben, sondern auch durch eine „zum System gewordene Erziehungskonzeption“ bedingt sei. Dies rechtfertige es, so Schneider weiter, in Hinsicht auf die betroffenen ehemaligen „Heimkinder“ auch über eine „Geste der finanziellen Hilfe zur Bewältigung oder Linderung der aktuellen seelischen Verletzungen“ nachzudenken. Dafür setze sich die evangelische Kirche am Runden Tisch Heimerziehung „in der Gemeinschaft mit anderen ein, die in der Heimerziehung der 50-er und 60-er Jahre Verantwortung getragen haben.“

Schneider äußerte, er sei „beschämt und entsetzt“, dass sexuelle Übergriffe auch in Einrichtungen im Bereich der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie stattgefunden haben. Die von den Gliedkirchen der EKD heute eingenommene Haltung lasse sich knapp so unter den Stichpunkten „vorrangige Aufmerksamkeit für die Opfer“ und „keine Toleranz gegenüber den Tätern“, sowie „vorbehaltlose Zusammenarbeit mit der Justiz“ zusammenfassen.

Im Blick auf die aktuelle Debatte zur Bedeutung der Religionen erinnerte Schneider daran, dass das Bundesverfassungsgericht dem christlichen Glauben und den christlichen Kirchen eine „überragende Prägekraft“ für die Grundlagen des Staates, die Wertüberzeugungen und Einstellungen zugemessen habe, „auf denen der gesellschaftliche Zusammenhalt beruht und von denen die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben“ abhänge. Dessen ungeachtet sind die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen für die Wahrnehmung der individuellen wie der korporativen Religionsfreiheit so offen ausgestaltet, dass sie Muslimen wie Christen ermöglicht, ihr Leben nach ihren religiösen Vorstellungen auszurichten.

In diesem Zusammenhang wandte sich der Ratsvorsitzende gegen „pauschale Vorwürfe“ gegenüber muslimischen Migrantinnen und Migranten. Die Einwanderungsgesellschaft sei Alltag und Normalität in Deutschland. Sie zu gestalten brauche keine Scharfmacher, sondern verdiene eine „klare Analyse, Geduld, Pragmatismus und Kreativität“.

Hannover, 07. November 2010
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick

Den Ratsbericht finden Sie unter: http://www.ekd.de/synode2010/berichte/ratsbericht.html