Hannover (epd). Nach dem Suizid des 58-jährigen armenischen Abschiebehäftlings Slawik C. in Hannover hat die Landtagsopposition in Niedersachsen harsche Kritik an der Abschiebungspolitik der Landesregierung geübt. Die SPD erklärte am Dienstag, der Vorfall weise drastisch auf die verzweifelte Situation der von Abschiebung bedrohten Menschen hin. Er werfe die Frage auf, ob im Innenministerium wirklich alle menschlichen Aspekte der Entscheidung nachhaltig gewürdigt würden. Auch Grüne, Linke sowie der Flüchtlingsrat protestierten.
Die Grünen wollen die Hintergründe des Vorfalles aufklären. "Wir wollen wissen, ob seine Inhaftierung unbedingt notwendig war und alle Möglichkeiten für eine Aufenthaltsperspektive ausgeschöpft wurden", sagte die migrationspolitische Sprecherin Filiz Polat. Der Fall zeige, wie rigide in Niedersachsen insbesondere mit älteren Geduldeten umgegangen werde. Deshalb hätten die Grünen eine umfassende Unterrichtung des Rechtsausschusses beantragt.
Die Linken-Fraktion kritisierte zudem die Praxis der Abschiebehaft. "Die Inhaftierten werden behandelt wie Kriminelle", sagte die parlamentarische Geschäftsführerin Christa Reichwaldt. Sie würden gemeinsam mit Häftlingen untergebracht. Reichwaldt verwies auf die Hansestadt Hamburg, die nach dem Suizid eines 17-Jährigen die Abschiebehaft für Minderjährige aussetze. Sie forderte erneut einen Stopp für Abschiebungen von Roma ins Kosovo oder nach Serbien.
Der Armenier hatte sich am Freitag in der Justizvollzugsanstalt Langenhagen bei Hannover nur fünf Tage nach seiner Inhaftierung mit dem Kabel eines Wasserkochers an einem Fenstergitter erhängt. Er lebte seit zehn Jahren in Jesteburg bei Hamburg und hinterlässt eine in Deutschland lebende Ehefrau und einen Sohn.
Der niedersächsische Flüchtlingsrat sprach von einem "Skandal". Slawik C. sei ohne hinreichende Rechtsgrundlage inhaftiert worden. Die Ausländerbehörde des Landkreises Harburg habe darauf bestanden, den Ehemann ohne seine Frau abzuschieben und so die Familie zu trennen. Zudem habe sie den Armenier, der eigentlich aus der aserbaidschanischen Provinz Nachidjevan stamme, aufgrund falscher Daten wissentlich ins falsche Land abschieben wollen.
Derzeit suchen in Niedersachsen vier Menschen Zuflucht im Kirchenasyl, um einer Abschiebung zu entgehen. In Rotenburg bei Bremen leben zwei Roma-Frauen seit April in einer Kirche, in Göttingen seit Juni zwei Männer. Die Polizei verzichtet üblicherweise in Kirchen auf eine Festnahme.
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06.07.2010