Hannover (epd). Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, plädiert für eine faire Bezahlung der Mitarbeiter in sozialen Einrichtungen. Sie wisse aus vielen Gesprächen, dass sich die Pflegekräfte in der Diakonie oft überlastet fühlten, sagte sie am Sonntag in Hannover bei der Feier zum 150-jährigen Bestehen der diakonischen Henriettenstiftung vor rund 800 Festgästen: "Der Gedanke des gegenseitigen Dienens und Lastentragens darf in der Kirche nicht dazu benutzt werden, faire Regelungen in Frage zu stellen."
Krankenhäuser und Pflegeheime müssten angemessen ausgerüstet sein, forderte Käßmann: "Samaritersein und Nächstenliebe brauchen funktionierende Strukturen und gute Ausstattung." Zugleich wandte sie sich gegen geplante Sozialkürzungen der Bundesregierung. Als Beispiel nannte sie den möglichen Wegfall von Heizkostenzuschüssen bei Wohngeldempfängern. In einer solidarischen Gesellschaft könne derjenige mehr geben, der mehr habe.
Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) sagte in einem Grußwort, die Stiftung der hannoverschen Königin Marie vor 150 Jahren könne auch heute noch ein Vorbild für bürgerschaftliches Engagement sein. Die Gründerin habe Verantwortung für das Ganze der Gesellschaft übernommen.
Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) hob hervor, die Bürger in Hannover hätten durch viele persönliche Erlebnisse ein besonders enges Verhältnis zu dem Krankenhaus und sprächen deshalb liebevoll vom "Henri". Hier fühlten sich die Patienten menschlich geboren und begleitet.
Der landeskirchliche Diakonie-Direktor Christoph Künkel sagte, der enorme Druck, der auf den Pflegerinnen und Pflegern laste, und das entsprechende Entgelt dafür seien ein gesellschaftlicher Skandal: "Die Gesellschaft muss sich fragen, was ihr die Pflege und die medizinische Behandlung wirklich wert sind."
Die Henriettenstiftung ist neben dem Friederikenstift und dem Annastift eine von drei Trägergesellschaften der Unternehmensgruppe Diakonischen Dienste Hannover, die zu den zehn größten diakonischen Einrichtungen in Deutschland zählt. Sie wurde 1860 durch die hannoversche Königin Marie (1818-1907) gegründet, die dafür 6.000 Goldtaler aus dem Erbe ihrer Großmutter Herzogin Henriette von Württemberg zur Verfügung stellte.
Aus diesen Anfängen entwickelte sich ein Unternehmen mit heute 546 Betten in 14 Kliniken. Rund 1.200 Mitarbeiter versorgen jährlich etwa 23.000 stationäre und 10.000 ambulante Patienten. Hinzu kommen mehrere Einrichtungen der Altenhilfe. Beim 150. Jahresfest präsentierte die Stiftung erstmals das neue Buch "Helfen - Pflegen - Begleiten" über Geschichte und Gegenwart der Einrichtung, herausgegeben von Oberin Heike Löhr und Vorsteher Volker Milkowski.
Hinweis: Heike Löhr, Volker Milkowski (Hg.): Helfen - Pflegen - Begleiten. 150 Jahre Henriettenstiftung, Lutherisches Verlagshaus Hannover 2010, 272 Seiten, 16,90 Euro