Gewerkschaft: Ladenschlussgesetz in Niedersachsen teilweise nicht verfassungsgemäß

Nachricht 31. März 2010

Hannover (epd). Die Gewerkschaft ver.di hält Teile des Ladenschlussgesetzes in Niedersachsen für nicht verfassungsgemäß. Insbesondere fehle es in dem Regelwerk an ausreichend definierten Sachgründen, um die große Zahl der bis zu 46 verkaufsoffenen Sonntage im Jahr in Ausflugsorten zu rechtfertigen, sagte der Leipziger Arbeitsrechtler Friedrich Kühn am Mittwoch vor Journalisten in Hannover. Der Jurist hatte das Gesetz im Auftrag des ver.di-Landesbezirks Niedersachsen-Bremen unter die Lupe genommen. Das Sozialministerium in Hannover wies den Zweifel zurück. Der Behörde lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Gesetz der Verfassung widerspreche, sagte eine Sprecherin.

Nach dem Gesetz dürfen die Geschäfte in Niedersachsen an vier Sonn- und Feiertagen bis zu fünf Stunden öffnen, in Ausflugsorten an acht Sonntagen. Zudem dürfen nach einer Ausnahmeregelung für Kur-, Erholungs-, Ausflugs- und Wallfahrtsorte an bis zu 46 Sonntagen zwischen Mitte Dezember und Ende Oktober bestimmte Waren verkauft werden. Gutachter Kühn argumentierte: "Nach dem Bundesverfassungsgericht rechtfertigt weder das alltägliche Einkaufsinteresse von Kunden noch das wirtschaftliche Interesse von Händlern eine Ausnahmeregelung."

Ver.di-Fachbereichsleiter Heiner Schilling forderte die CDU/FDP-Landesregierung auf, das Ladenschlussgesetz entsprechend nachzubessern. Arbeitnehmer hätten jetzt eine Grundlage, um gegen das Gesetz zu klagen, sagte er: "Wir werden unseren Mitgliedern Rechtsschutz gewähren. Wir werden sie auch dazu ermuntern." Er hoffe jedoch, dass es nicht dazu kommen müsse. Das Gesetz trat im April 2007 in Kraft. Es muss von der Landesregierung nach einer Frist von drei Jahren ausgewertet und überprüft werden.

Die Gewerkschaft kritisierte insbesondere die "ausufernde Zahl" der Ausflugsorte. "Das Gesetz öffnet Tür und Tor dazu, dass sich jeder Ort, der sich für einen Ausflugsort hält, auch zu einem solchen erklären kann", sagte Kühn. Sogar Wolfsburg gelte inzwischen als Ausflugsort. Hier seien genauere Kriterien nötig. Die große Zahl der Ausnahmen beeinträchtigte die Sonntagsruhe erheblich. Ein einheitlicher Tag der Ruhe in der Woche sei jedoch nötig für das soziale Leben und die Gesundheit.

Das Sozialministerium hat nach eigenen Angaben einen Bericht zu dem Gesetz erarbeitet, in den Stellungnahmen von Verbänden, Kommunen, Kirchen und Gewerbeaufsichtsämtern eingeflossen sind. Dieser werde der Landesregierung vorgelegt. "Das Kabinett entscheidet dann, ob das Gesetz gut ist oder ob es Änderungsbedarf gibt", sagte die Sprecherin. Dies werde voraussichtlich noch im April geschehen.

Der Jurist Kühn bezog sich in seinem Gutachten auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 1. Dezember 2009. Darin hatten die Richter auf Klagen der Kirchen das Berliner Ladenschlussgesetz von 2006 gerügt, das die Sonntagsöffnung an allen Adventssonntagen gestattet hatte. Schilling sagte, die Verkäufer in Niedersachsen würden zunehmend aufgefordert, sonntags zu arbeiten: "Damit ist die Sonntagsruhe dahin." Häufig würden jedoch die tariflichen Sonntagszuschläge nicht gezahlt. Auch würden oft keine freien Tage als Freizeitausgleich gewährt.



Ver.di nimmt den Angaben zufolge derzeit auch die Ladenschlussgesetze in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Berlin und dem Saarland genau unter die Lupe. In Mecklenburg-Vorpommern werde das Oberverwaltungsgericht Greifswald am 7. April über die dortigen Regelungen zur Sonntagsöffnung entscheiden. In Bremen muss das Landesgesetz im September überprüft werden.

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31.3.2010