Hannover/Wildeshausen. Wenn es da schon so einladend dasteht, dann muss das Rednerpult auch genutzt werden. Und so nimmt sich Adelheid Gogga nicht nur ein Herz, sondern auch ihre vorbereitete Rede und tritt ans Mikrofon. „Halt!“, ruft Mechthild Ross-Luttmann lachend. „Da muss Ihnen erst der Schriftführer das Wort erteilen – so ist das hier bei uns im Landtag. Wenn schon, denn schon!“
Es mangelt wahrlich nicht an Besuchergruppen, die sich den Niedersächsischen Landtag anschauen - aber diese hier ist doch etwas Besonderes. Adelheid Gogga und die anderen Gäste, die sich hier fröhlich zwischen den Abgeordnetensitzen verteilen, leben in Wohngruppen für geistig behinderte Menschen der Diakonie Himmelsthür.
Sie gehören zum Heimbeirat, der mit allen neun Mitgliedern die Reise nach Hannover angetreten hat. Mechthild Ross-Luttmann, Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, hatte der Diakonie Himmelsthür im vergangenen September einen Besuch abgestattet und die Bewohner- Vertretung kurzerhand in ihren Dienstsitz eingeladen.
Keine Frage: Da lässt man sich nicht lange bitten. Doch bevor die Ministerin die Gruppe durchs Ministerium führt, zeigt sie ihnen den Landtag im alten Leineschloss – und stellt sie auch dem Landtagspräsidenten Herrmann Dinkla vor, der alle miteinander in seinem Büro empfängt.
Bestaunt wird aber vor allem der große Plenarsaal, in dem Adelheid Gogga dann auch ihre Rede hält. Dabei geht es ihr vor allem um die Veränderungen, die in der Diakonie Himmelsthür anstehen. „Bei Ihrem Besuch haben Sie ja gesehen, dass wir zum Teil in sehr großen, alten Häusern wohnen, Frau Ministerin. Wir als Bewohner freuen uns darauf, dass wir demnächst wählen können, wie wir wohnen wollen.“
Für viele ist es schon so weit, in Hildesheim und Gifhorn sind bereits Bewohner in Stadtwohnungen umgezogen. „Es kommt einiges in Gang“, erklärt Mitarbeiterin Anke Strömer. „Es geht insgesamt um alternative Modelle der Unterbringung für kleinere Gruppen oder Einzelpersonen mit individuell zugeschnittener Betreuung.“ Entscheidend sei dabei, dass die Wünsche der Bewohner zur Grundlage der Planung gemacht würden.
„Ich finde es ganz wichtig, dass die Integration in die Gesellschaft unterstützt wird und dass auch die aktiven Heimbeiräte eine so große Rolle dabei spielen“, unterstreicht die Ministerin – und wird unversehens überrascht. Die Besucher haben ihr als Geschenk zwei Seidenschals mitgebracht, die sie selbst in der Tagesförderung hergestellt haben.
Anschließend werden im Ministerium Kaffee und Kekse aufgetischt, und die Gäste plaudern entspannt mit der Ministerin. „Es ist wunderbar hier und total interessant!“, schwärmt Adelheid Gogga. „Aber vielleicht kommen Sie ja auch mal wieder bei uns vorbei.“ „Auf jeden Fall. Ich muss mir doch die neuen Wohnangebote anschauen, wenn sie erst einmal fertig sind“, verspricht Mechthild Ross-Luttmann – und wird schon wieder überrascht: mit einer begeisterten Umarmung.
Ralf Neite