Gewerkschaft will weiter in kirchlichen Einrichtungen streiken / Streit über die Folgen des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld / Hannoversche Diakonie zeigt sich erleichtert

Nachricht 04. März 2010

Berlin/Hannover (epd). Ungeachtet eines Urteils des Arbeitsgerichtes Bielefeld, wonach kirchliche Mitarbeiter nicht streiken dürfen, soll es weiterhin Arbeitsniederlegungen in kirchlichen Einrichtungen geben. Das kündigte die Gewerkschaft ver.di auf epd-Nachfrage am Donnerstag in Berlin an. Mit der Gerichtsentscheidung hatten sich die Landeskirchen von Westfalen und Hannover sowie die Diakonischen Werke Rheinland-Westfalen-Lippe und Hannover gegen den ver.di-Bundesvorstand durchgesetzt. Das Urteil habe somit nur für eine begrenzte Region unmittelbare Wirkung, sagte Niko Stumpfögger vom ver.di-Bundesverband. Es gelte für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, das Saarland sowie Teile von Rheinland-Pfalz. Die Diakonie Hamburg widersprach ver.di.



Das Arbeitsgericht Bielefeld ist den Klägern gefolgt und entschied, dass Mitarbeiter von Kirche und Diakonie nicht streiken dürfen, wenn ihre Tarife nach einem arbeitsrechtlichen Sonderweg, dem sogenannten Dritten Weg, ausgehandelt werden. Das durch das Grundgesetz geschützte kirchliche Selbstbestimmungsrecht habe Vorrang vor dem Streikrecht. Die Gewerkschaft ver.di äußerte sich enttäuscht über das Urteil und kündigte an, in die nächste Instanz zu gehen.



Die Grünen im Bundestag begrüßten, dass "ver.di das Urteil nicht einfach hinnimmt". Es müsse geprüft werden, ob der Dritte Weg für die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände noch angemessen sei, sagte die Sprecherin für Arbeitnehmerrechte, Beate Müller-Gemmeke.



In Hannover zeigte sich das Diakonische Werk der evangelischen Landeskirche am Donnerstag zufrieden und erleichtert über das Urteil. Das Gericht habe den Dritten Weg bestätigt, sagte der stellvertretende Direktor Jörg Antoine: "Arbeitskampfmaßnahmen sollen in unsere Einrichtungen keinen Einzug finden, wir setzen weiterhin auf ein gutes Miteinander von Dienstnehmer und Dienstgeber." In Kirche und Diakonie zähle die Dienstgemeinschaft mit dem Recht, ihre Arbeitsbedingungen selbst zu regeln.



Ver.di-Vertreter Stumpfögger räumte zwar ein, das Urteil habe die Arbeitgeberseite gestärkt und gewerkschaftliche Arbeit eingeschränkt. Wegen der begrenzten regionalen Wirkung des Urteils werde es aber bei Lohnverhandlungen weiterhin Streiks geben. Außerdem hätten Arbeitnehmer "auch andere legale Möglichkeiten", um bei Konflikten in den kirchlichen Betrieben ihren Interessen Nachdruck zu verleihen.



Das Diakonische Werk Hamburg hält nach dem Bielefelder Urteil Streiks in diakonischen Betrieben in der Hansestadt für unzulässig. Am Dienstag war es im Diakonie-Klinikum Hamburg zu einem Warnstreik gekommen. Die stellvertretende ver.di-Landesvorsitzende, Angelika Detsch, sagte, die Gewerkschaften würden auch künftig zu Streiks aufrufen.



Anlass der Klage vor dem Bielefelder Arbeitsgericht waren Streikaufrufe der Gewerkschaft ver.di im September in Einrichtungen von Kirche und Diakonie in mehreren Bundesländern. In Niedersachsen war davon das Diakonische Werk Christophorus in Göttingen betroffen, das in der Alten-, Jugend- und
Behindertenhilfe tätig ist. Ver.di hatte eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter sowie einen Tarifvertrag für Beschäftigte der Diakonie gefordert.



Innerhalb der Kirche gilt für die Tariffindung in fast allen Landeskirchen der sogenannte Dritte Weg. Dabei handeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer paritätisch besetzten Kommission die Tarife für die Beschäftigten aus. Kommt keine Einigung zustande, tritt eine Schiedskommission zusammen, deren Spruch verbindlich ist. Nach Ansicht des Gerichtes kann auch durch diesen Sonderweg eine tarifliche Einigung erzielt werden. Schließlich schlössen die Satzungen der kirchlichen Einrichtungen, die dem Dritten Weg folgten, nicht nur Streiks, sondern auch Aussperrungen aus.



epd lnb bas mig / 4. März 2010

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