Wunstorf/ Reg. Hannover (epd). Die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Margot Käßmann, hat in einem NDR-Fernsehgottesdienst zu mehr Engagement für Frieden und Gerechtigkeit aufgerufen. Am Reformationstag wünsche sie sich, dass sich die Christen in Deutschland nicht in eine Nische zurückzögen, sagte die Bischöfin. Sie sollten sich vielmehr mutig mit den Problemen der Zeit auseinandersetzen. Ihre Aufgabe sei es, "von den unbändigen Hoffnungen" zu sprechen, die der Glaube immer wieder gebe, sagte die Bischöfin in dem Gottesdienst, den sie gemeinsam mit der Leipziger Popband die "Prinzen" gestaltete.
Die Prinzen eröffneten die Liveübertragung aus der Stiftskirche in Wunstorf bei Hannover mit ihrem Hit "Du musst ein Schwein sein in dieser Welt". Die Bischöfin widersprach im Gespräch mit Fernsehpastor Jan Diekmann der These, dass nur gewinne, wer seine eigenen Interessen durchsetze. Eine Kernlehre des Reformators Martin Luther besage vielmehr, dass der Mensch sich seinen Lebenssinn nicht selbst schaffen könne. "Wenn du geboren bist, dann hat Gott dein Lebenskonto schon aufgefüllt."
"Ein Schwein sein in der Welt, der Ehrliche ist der Dumme. Ja, das sind die Grundregeln der Gesellschaft", sagte die Bischöfin der hannoverschen Landeskirche. In den Seligpreisungen der biblischen Bergpredigt male Jesus Bilder gegen diese Wirklichkeit. "Vielleicht ist die dringlichste Aufgabe der Christinnen und Christen heute, diese andere Lesart, diese Hoffnung einzubringen in unsere Zeit."
Dazu brauchten Menschen eine "Substanz des Glaubens", von der sie zehren könnten. So würden sie ermutigt, die Träume der Bergpredigt von einer gerechteren und friedlicheren Welt Schritt für Schritt umzusetzen, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Familie. Manchmal habe sie den Eindruck, dass sich Menschen an Hunger und Unrecht in der Welt gewöhnten. Doch sollten sie sich nicht mit Verhältnissen abfinden, die etwa dazu führten, dass Kinder mit einem Tagessatz von 2,60 Euro ernährt werden müssten.
Der NDR hatte zum dritten Mal einen Gottesdienst zum Jahrestag der Reformation übertragen, der in Ostdeutschland gesetzlicher Feiertag ist. Am Reformationstag erinnern Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation durch Martin Luther (1483-1546) und die Gründung der evangelischen Kirche vor fast 500 Jahren.
Im Gottesdienst erzählte Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel, wie er die Leipziger Demonstrationen im Jahre 1989 als junger Student erlebt hat. Insgesamt habe er die damalige Zeit als Zeit des Aufbruches in Erinnerung, sagte Krumbiegel: "Ich versuche daraus zu lernen, dass wir uns den Geist dieser Zeit bewahren." Er selbst habe zwar an anderen Tagen mitdemonstriert, sei aber zu feige gewesen, um am 9. Oktober auf die Straße zu gehen, als im Anschluss an Friedensgebete rund 70.000 Menschen für mehr Demokratie und politische Freiheit in der DDR demonstrierten. Es sei von einem Schießbefehl die Rede gewesen.
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epd lnb mir/31.10.2009
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